Wie du dich fühlst, so hörst du
Wussten Sie, dass Psyche und Persönlichkeit nicht nur unsere Stimmung, sondern auch unser Hörvermögen beeinflussen? Und dass uns umgekehrt Schwerhörigkeit aufs Gemüt schlagen kann? Wir erklären, wieso diese Erkenntnisse für Menschen mit Schwerhörigkeit so wichtig sind.
Wie fühlen Sie sich heute? Eine Frage, die einigen vermutlich seltsam erscheint, wenn es eigentlich um ihr Gehör gehen soll. Doch eine Studie der Universität zu Lübeck hat herausgefunden, dass sich Persönlichkeit und psychische Verfassung nicht nur auf unsere Stimmung auswirken, sondern auch mit dem Hören eng verbunden sind. Die Persönlichkeit verrät sogar, ob wir eher gut oder eher schlecht hören.
Gut oder schlecht hören – alles Typsache
Jeder von uns nimmt unterschiedliche Geräusche und Lautstärken als angenehm oder als störenden Lärm wahr. Einige können den bellenden Nachbarshund oder Kindergeschrei ausblenden, andere fühlen sich dadurch in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Unklar war bislang, ob sich die Persönlichkeit auch auf das Abschneiden in Hörtests auswirkt, die Hörakustiker beispielsweise zur Anpassung von Hörgeräten durchführen.
Studienergebnisse zeigen: Wer sich oft Sorgen macht, reagiert empfindlicher auf Geräusche und nimmt sie schneller als Lärm wahr. Und auch das objektive Hörvermögen beeinflussen Psyche und Persönlichkeit: Wer sich öfter sorgt, schneidet im Hörtest etwas besser ab als unbesorgtere Probanden.
Hörgeräte besser anpassen
Diese Studienergebnisse zur engen Verbindung zwischen Psyche und Gehör sind vor allem für Träger von Hörgeräten wichtig: Um Hörgeräte perfekt anzupassen, müssen zahlreiche individuelle Lebensbedingungen der Menschen mit Schwerhörigkeit berücksichtigt werden. Zu diesen Faktoren gehört nach den neuesten Erkenntnissen nun auch die Persönlichkeit und welche Geräusche sie aufgrund dessen individuell stören.
Schritt für Schritt zum perfekten Hörgerät
Hörakustiker nehmen den Betroffenen zuerst die Angst vor der Technik und suchen gemeinsam mit dem Betroffenen das perfekte Hörgerät aus. Der Betroffene sollte die Hörsysteme auch immer für eine gewisse Zeit in seinem Alltagsumfeld testen und ausprobieren. Ist die Entscheidung dann für Hörsysteme gefallen, können diese individuell angepasst werden.
- Schritt 1: Initiale Höranalyse. Der Hörakustiker findet heraus, in welcher Lebenssituation sich der Kunde befindet und in welchen Situationen ihm das Hören schwerfällt. Dies beeinflusst die Auswahl und Einstellung der Hörgeräte.
- Schritt 2: Simulation. Um Betroffenen zu zeigen, wie sich ihr Hörvermögen durch die Hörgeräte verbessert, simulieren Hörakustiker mit Video- und Audioaufnahmen verschiedene Alltagssituationen.
- Schritt 3: Anpassung und Gewöhnung. Ist die Wahl auf ein Modell gefallen, sorgt der Hörakustiker für den perfekten Sitz im oder hinter dem Ohr und erklärt das Handling. Anschließend beginnt die Gewöhnung an die Hörgeräte und das bessere Hörvermögen. Der Gewöhnungsprozess dauert immer eine gewisse Zeit. Hier muss der Betroffene geduldig sein. Das Gehirn und das Gehör müssen sich an die Situation mit neuen Hörsystemen erst gewöhnen.
- Schritt 4: Feinjustierung/Regelmäßiges Tragen. Viele Geräte passen sich automatisch an das wiederkehrende Hörvermögen an und regulieren nach einigen Wochen beispielsweise die Lautstärke. Bei anderen Geräten übernehmen dies der Hörakustiker. Lassen Sie Ihre Hörsysteme regelmäßig vom Hörakustiker anpassen und überprüfen und tragen Sie diese unbedingt täglich unabhängig davon, ob Sie zu Hause oder unterwegs sind.
- Schritt 5: Regelmäßige Überprüfung. Auch nach der Gewöhnungsphase werden die Geräte kontinuierlich an das aktuelle Hörvermögen der Träger angepasst.
Wenn die Psyche aufs Gehör schlägt
Psychische Belastungen und Erkrankungen spielen bei vielen Hörbeschwerden eine Rolle. Beispielsweise sind psychische Faktoren häufig die Ursache für die Entwicklung eines Tinnitus. Eine besondere Rolle spielt die Verflechtung zwischen Psyche und Gehör bei chronischem Tinnitus: Betroffene können ihre Gefühle quasi hören. Denn sie nehmen Emotionen mit Gehirnarealen wahr, die mit dem Hören vernetzt sind. HNO-Ärzte achten deshalb bei der Behandlung von Tinnitus auch auf psychische Probleme.
Unbehandelte Schwerhörigkeit belastet
Doch umgekehrt kann auch das Gehör die Psyche beeinflussen: Eine unbehandelte Schwerhörigkeit kann aufs Gemüt schlagen. Viele Betroffene haben Probleme, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Zu den körperlichen Folgen von Schwerhörigkeit wie Stress, Schlafmangel oder Konzentrationsproblemen kommen psychische Folgen wie geringes Selbstwertgefühl, Scham, Unsicherheit und Angstzustände. Gespräche zu führen und ihnen zu folgen wird mühsamer. Viele Schwerhörige isolieren sich immer mehr, fühlen sich unwohl und sind gereizt.
Schwerhörigkeit erkennen und behandeln
Je früher Hörakustiker und HNO-Ärzte eine Schwerhörigkeit erkennen, desto besser lässt sie sich mit Hörgeräten behandeln und den Folgen von Schwerhörigkeit vorbeugen. Wie wichtig das ist, zeigen Studien: wie u.a. (Hélène Amieva et. al. (2018): Death, Depression, Disability, and Dementia Associated with self-reported Hearing Problems: A 25-Years Study; in: The Journals of Gerontology, Series A, January 2018, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29304204).
Mit einer Schwerhörigkeit sind Sie nicht alleine. Wenn Sie einen Hörverlust bemerken, gibt es gute Möglichkeiten, diesen zu behandeln. Machen Sie vorsorglich einen Online-Hörtest und wenden Sie sich an Ihren HNO-Arzt oder einen Hörakustiker in Ihrer Nähe. Die Experten für gutes Hören führen Hörtests durch, stellen eine sichere Diagnose und helfen Ihnen bei der Auswahl geeigneter Hörgeräte.
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