Warum führen wir Selbstgespräche?
Viele Menschen reden mit sich selbst. Warum wir das tun und wieso eine Autokommunikation wichtig für den Spracherwerb von Kindern ist.
Auf einen Blick
- Warum wir Selbstgespräche führen
- Autokommunikation ein Schlüssel für den Spracherwerb von Kindern
- Gutes Gehör ist Basis für den Spracherwerb
- Hördefizite möglichst frühzeitig erkennen
„Wo ist denn nur meine Geldbörse?“, „Gleich muss ich einkaufen, die Butter darf ich auf gar keinen Fall vergessen.“ Solche Selbstgespräche kommen sicherlich so ziemlich jedem bekannt vor. Ob wir uns Fragen stellen, Anweisungen geben oder bestimmte Handlungen kommentieren – manchmal reden wir laut mit uns selbst, ein andermal ist es eher ein Gemurmel. Forscher schätzen, dass etwa 96 Prozent aller Erwachsenen Selbstgespräche führen. Aber warum eigentlich?
Selbstgespräche – Motivator und Ventil
Oftmals motivieren wir uns, wenn wir Selbstgespräche führen und treiben uns sogar zu Höchstleistungen an. So sprechen viele Sportler während ihres Wettkampfes mit sich selbst, um ihre Leistung zu steigern. Durch Selbstgespräche lässt sich die Konzentration steigern und sie helfen uns manchmal auch dabei, unsere Gedanken zu strukturieren. Selbstgespräche unterstützen uns bei kreativen Prozessen, beispielsweise indem wir uns ständig fragen „Funktioniert das besser so oder so?“, „Wie kann ich dieses oder jenes noch effizienter machen?“. Selbstgespräche helfen uns auch dabei, unser Gedächtnis zu trainieren. Daher empfiehlt der Psychologie-Professor Dietrich Dörner von der Universität Bamberg auch, dass insbesondere ältere Menschen regelmäßig mit sich selbst sprechen sollten. Denn sie leben oft alleine und reden deshalb viel seltener mit anderen Menschen, gleichzeitig lässt das Kurzzeitgedächtnis im Alter nach.
Selbstgespräche sind für uns oftmals auch ein Ventil, um Dampf abzulassen, wenn wir uns so richtig geärgert haben – sei es über unseren Partner, einen Kollegen oder einfach nur einen anderen Autofahrer im Straßenverkehr. Alle diese Selbstgespräche sind förderlich und tragen tatsächlich zu unserer Gesundheit bei. Wenn man sich mit Selbstgesprächen oft selbst schlecht redet, können sie jedoch auch negative Auswirkungen haben.
Funktionen von gesunden Selbstgesprächen nach dem Psychologen Thomas Brinthaupt, Middle Tennessee State University:
- Selbstkritik: So kann das nicht funktionieren.
- Selbstbestätigung: Das habe ich gut gemacht.
- Selbstmanagement: Nicht den Schlüssel vergessen.
- Vorab-Einschätzung sozialer Situationen: Wenn man beispielsweise übt, seinem Nachbarn mitzuteilen, dass er zu laut ist. „Sind Sie schwerhörig?“
Kleine Kinder führen ständig Selbstgespräche
Schon kleine Kinder reden, murmeln oder singen permanent vor sich hin. Dadurch fokussieren sie sich auf eine bestimmte Sache und sortieren ihre Gedanken sowie Erlebtes. Eine Studie des Psychologen Adam Winsler der George Mason University in Fairfax, Virginia belegt, dass drei- bis fünfjährige Kinder, die mit sich selbst reden, ein Rätsel schneller lösen konnten als Kinder, die keine Selbstgespräche führen. Experten sind der Meinung, dass diese Form der Autokommunikation den Spracherwerb von Kindern fördert. Denn sie lernen durch die Selbstgespräche Gegenstände zu benennen und Aussprachen auszuprobieren. In der Regel beginnen Kinder im Alter von zwei Jahren Selbstgespräche zu führen, ab dem fünften Lebensjahr nimmt die Häufigkeit von Selbstgesprächen dann allerdings wieder ab. Ab einem Alter von sechs Jahren behalten Kinder ihre Gedanken dann immer häufiger für sich, so die Beobachtungen von Winsler.
Ein gutes Gehör ist Grundvoraussetzung zur Sprachentwicklung
Aber nicht nur das Führen von Selbstgesprächen trägt zur Sprachentwicklung bei, eine Grundvoraussetzung, um eine Sprache zu erlernen – und natürlich damit auch für die gesamte kindliche Entwicklung – ist ein gutes Gehör. Denn nur wenn ein Kind gut hört, kann es sprechen lernen. Es können jedoch auch in anderen Bereichen schwerwiegende Probleme auftreten, wenn ein Kind unter einer Schwerhörigkeit leidet und diese weder erkannt noch behandelt wird. Oftmals hängen Kontaktschwierigkeiten oder Probleme beim Lesen und Schreiben mit einer unerkannten Hörstörung zusammen.
Wie lassen sich Hördefizite frühzeitig erkennen?
Um mögliche Hörprobleme so früh wie möglich zu erkennen und zu therapieren, wird deshalb seit einigen Jahren das Neugeborenen-Hörscreening durchgeführt. In der Regel findet es bereits in den ersten Lebenstagen statt und dauert nur wenige Minuten. Dabei untersucht ein Kinderarzt über die Messung der otoakustischen Emissionen, ob das Innenohr funktionsfähig ist. Dazu wird ein Sondenton ins Ohr gesendet, worauf ein funktionsfähiges Gehör mit einem zweiten Ton als Antwort reagiert. Die Untersuchung ist schmerzfrei und lässt sich sogar durchführen, wenn das Baby schläft.
Aber auch dann, wenn Ihr Kind schon älter ist, sollten Sie unbedingt einen Hörtest machen lassen, falls Sie feststellen, dass Ihr Kind nicht gut hört. Denn auch für Kinder gibt es bereits moderne Hörgeräte, die es ihnen ermöglichen, die Umwelt wahrzunehmen und sich gut zu entwickeln.