Synästhesie
Mit allen Sinnen aktiv: Synästhetiker erleben mehr als andere Menschen. Sie haben einen zusätzlichen Kanal der Wahrnehmung, auf dem die Welt bunt und voller Geschmack ist. Sie können zum Beispiel Farben riechen oder Geschmack hören.
Eine Begriffserklärung und die wichtigsten Merkmale
Das Wort Synästhesie setzt sich zusammen aus den altgriechischen Wörtern syn (= zusammen) und aisthesis (= empfinden). Sucht man im Duden danach, so lautet die Definition: Miterregung eines Sinnesorgans bei Reizung eines anderen.
Bei Synästhesie existieren zusätzliche neuronale Verbindungen zwischen den einzelnen Sinnen. So können beispielsweise manche Synästhetiker Buchstaben fühlen, Worte riechen oder Zahlen farbig wahrnehmen. Andere wiederum haben die Fähigkeit, Töne in bunten Farben oder Formen zu sehen – auch „farbiges Hören“ genannt.
Synästhesie ist also das Resultat einer speziellen Vernetzung – einer Synthese – im Gehirn, die für gewöhnlich selten vorkommt. Nur bei rund 4 Prozent der Bevölkerung lässt sich solch eine „Hochsensibilität“ nachweisen. Fachleute schätzen, dass sich bei jedem 2000. Menschen die Sinne überschneiden. Mehr als 80 Prozent davon sind weiblich.
Die häufigsten Synästhesieformen
Laut dem US-amerikanischen Anthropologen, Linguist und Synästhetiker Sean A. Day existieren rund 80 verschiedene Formen von Synästhesie. Die vier nachfolgenden Formen sind jedoch am weitesten verbreitet:
Graphem-Farb-Synästhesie: Buchstaben und/oder Zahlen werden einer charakteristischen Farbe zugeordnet.
Zeit-Raum-Synästhesie: Zeiteinheiten wie zum Beispiel Wochentage, Monate, Jahre oder auch Ziffern sind mit einer bestimmten räumlichen Anordnung beziehungsweise Position verbunden.
Person-Farb-Synästhesie: Persönlichkeiten werden in Verbindung mit in einer jeweils charakteristischen Farbe wahrgenommen.
Farbiges Hören: Geräusche und/oder Musik gehen zugleich mit einer Farbe und/oder Form einher.
Farbiges Hören
Das „farbige Hören“ ist besonders weit verbreitet. Die Betroffenen hören Geräusche, Wörter und Zahlen und sehen gleichzeitig Farben dazu.
Um sich das bildhaft vorstellen zu können: Es gibt Synästhetiker, die nur Wein trinken, der grünorange schmeckt, oder Opern-Gesang lieben, weil diese Musik einen so strahlend blauen Klang hat. Es gibt tatsächlich auch Menschen, die beim Hören von Musik ein komplettes Gemälde vor sich sehen.
Ein anderer Synästhetiker sieht Wörter wie auf einem Laufband vor sich. Das A ist leuchtend rot, B besitzt die Farbe hellgrün und C schwarzblau. Auch die Oberflächen der Buchstaben sind unterschiedlich. So kann das M plüschig sein, während das N eher hölzern ist.
Ein weiteres Beispiel haben wir im Internet gefunden: „Was machst du nun mit den hässlichen blauen Hemden?“ fragt die Bremer Psychologin Insa Schulz ihren Bruder – und lacht laut auf. Der Bruder besitzt kein blaues Hemd. Ihre Frage galt den fünf Hemden, die sie nicht leiden kann. Die Fünf ist für sie eindeutig eine blaue Zahl.
Genetischer Ursprung der Synästhesie
Bisher gibt es nur wenige belegbare Erkenntnisse über das Phänomen, dennoch nimmt die Wissenschaft es ernst. Aufgrund der Häufung in Familien nimmt man an, dass Synästhesie erblich ist.
Bei einer Studie der Universität Cambridge mit 26 Betroffenen fand man heraus, dass die Mehrzahl nahe Verwandte besitzt, die ebenfalls synästhetisch begabt sind.
Synästhesie – Fluch oder Segen
Man hat festgestellt, dass Synästhesie häufig mit bestimmten Phänomenen wie zum Beispiel Hochbegabung, Hochsensibilität und erhöhter Kreativität einhergeht. Genauso häufig kommt es allerdings auch zu Aufmerksamkeitsstörungen, räumlichen Orientierungsschwierigkeiten und Reizüberflutungen.
Auch die Reaktionen der Außenwelt sind nicht selten negativ. Häufig hört man „Du spinnst doch!“ oder „Lass diese Phantastereien“. Oftmals verschweigen Synästhetiker daher ihre außergewöhnliche Begabung. So auch einige bekannte Persönlichkeiten wie die Maler Kandinsky und van Gogh oder die Musiker/innen Lady Gaga, Pharrell Williams, Kanye West und Chris Martin, der Sänger der britischen Band Coldplay.
Wir finden, diese spezielle Gabe sollte niemandem peinlich sein. Vielfalt macht uns Menschen so besonders.