Offen mit Schwerhörigkeit und Implantaten umgehen
Die Schwerhörigkeit zu verbergen, findet Stefanie aus Berlin albern. Sie lässt Freunde ihr neues Ohr, den Audioprozessor ihres Mittelohrimplantats, sogar anfassen und selbst ausprobieren, wie der Magnet funktioniert.
Auf einen Blick
- Für wen ist ein Mittelohrimplantat geeignet?
- Neues Ohr hört Tierlaute, Stimmen und Musik
- Keine Angst vor Hörgeräten und Implantaten
Mit ihrer Schwerhörigkeit ist die geborene Berlinerin Stefanie Schweda immer sehr offen umgegangen. Die Radiomoderatorin und Reiseleiterin findet es viel besser, wenn die Umgebung auf Hörgeräte aktiv aufmerksam gemacht wird. Sie würde alle Hörgeräte am liebsten bunt gestalten. Seit Stefanie ein neues Ohr, ein Mittelohrimplantat, hat, kann sie viel besser hören und mit Freunden kommunizieren. Auch beruflich im Studio bei ihrem Sender, dem Berliner Rundfunk 91.4, hat sie durch das Mittelohrimplantat nur Vorteile. Im Interview macht sie anderen Mut.
Wie ist ihre Hörgeschichte und wie kam es schließlich zu einem Mittelohrimplantat als neues Ohr?
Stefanie Schweda: Neben dem Radio sind das Reisen und Kultur meine großen Leidenschaften. Auf einer Asienreise durch Vietnam bekam ich vor Jahren Ohrenschmerzen, später war mein rechtes Ohr plötzlich zu. Beide Male halfen mir kurzfristig Ohrentropfen, doch dann kam ein Tinnitus im rechten Ohr dazu – bei mir in Form eines konstanten Rauschens. In den nächsten Jahren hörte ich schleichend schlechter und bekam beidseitig Hörgeräte. Ich bin mit den Hörgeräten von der Hörqualität sehr gut zurechtgekommen, konnte sie aber wegen häufigen Entzündungen oft nicht tragen. In einer Berliner Klinik wurde dann eine Gehörgangsstenose in beiden Ohren diagnostiziert. Das bedeutet, dass der äußere Gehörgang verengt ist und die Schallleitung erschwert wird. Es folgten mehrere Operationen, bei denen – leider erfolglos – versucht wurde, meinen linken Gehörgang zu öffnen. Dann erfuhr ich in der Klinik von einem Mittelohrimplantat als neues Ohr, um wieder zu hören.
Wer braucht ein Mittelohrimplantat?
Einige Menschen können aufgrund ständig wiederkehrender Entzündungen, allergischer Unverträglichkeiten oder anderer medizinischer Gründe keine konventionellen Hörgeräte tragen – obwohl sie davon profitieren würden. Andere leiden unter leichter bis schwerer Innenohr- oder Schallleitungsschwerhörigkeit und kombiniertem Hörverlust.
Das Mittelohrimplantat ist eine gute Alternative für Menschen, bei denen die Übertragung des Schalls vom Trommelfell über das Mittelohr ans Innenohr gestört ist. Während Hörgeräte den Schall verstärken, stimuliert ein Mittelohrimplantat das Ohr direkt. So ahmt das Implantat den Vorgang des natürlichen Hörens nach und überbrückt dadurch Fehlfunktionen des Mittelohrs.
Wie haben sie die Operation und Aktivierung erlebt?
Stefanie Schweda: Die Operation war leicht. Nur die Stelle, an der das Implantat unter der Haut am Kopf liegt, hat beim Schlafen ein paar Nächte lang weh getan, ansonsten hatte ich keine Beschwerden. Zwei Monate nach der OP wurde mein Implantat dann aktiviert. Ich war sehr aufgeregt, aber die Höreindrücke waren sofort überwältigend. Auf dem Heimweg hat ein Vogel neben mir in einer Hecke gezwitschert. Dann hörte ich jemanden telefonieren und sah die Person hinter einer Autoscheibe – das hätte ich mit dem Hörgerät nie gehört. Und ohne sowieso nicht. Im Auto hörte ich mir Beethovens Mondscheinsonate an, um zu testen, wie die Soundqualität bei klassischer Musik sein würde. Ich war restlos begeistert und wahnsinnig erleichtert.
Erstaunlich war für mich auch, wie mitteilsam meine beiden Kater sind. Ihr Mauzen sowie ihr wohliges Schnurren sind Töne, die ich bisher nicht gehört hatte. Eine längere Eingewöhnung oder Hörtrainings habe ich persönlich nicht gebraucht.
Sie sind sehr kulturinteressiert, lieben Musik, Kino und Theater und arbeiten als Radioredakteurin: Wie funktioniert das mit dem neuen Mittelohrimplantat?
Stefanie Schweda: Ich nutze meistens das Programm, das Hintergrundgeräusche ausblendet. Damit komme ich sehr gut zurecht. Durch den deutlich besseren Klang verstehe ich jetzt auch Menschen, die flüstern oder die Stimme senken. Wenn die Philharmoniker mit vollem Klang Schostakowitsch spielen, dann mache ich es mir ein wenig leiser. Wenn die Bläser zu sehr dominieren, stelle ich den Klang weicher. Schwierigkeiten habe ich nur in Räumen, in denen es sehr hallt. Ansonsten genieße ich, dass ich so unkompliziert auf dem Handy die Lautstärke regeln kann. Und schreit in der S-Bahn ein Baby, dann mache ich mein Implantat einfach leise.
Am Arbeitsplatz im Radiostudio ist es deutlich einfacher geworden, denn ich kann mein neues Ohr auch mit Kopfhörern tragen. Ich muss die Studiobeschallung nicht mehr so laut machen und bin in der Lage, mich mit Kollegen sogar dann noch zu unterhalten, wenn ich die Kopfhörer aufhabe.
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Sie tragen auf dem linken Ohr ein Mittelohrimplantat, auf dem anderen Ohr ein Hörgerät. Ist das für Sie eine gute Lösung?
Stefanie Schweda: Mein neues Ohr verträgt sich gut mit dem Hörgerät auf dem rechten Ohr. Allerdings habe ich rechts öfter Entzündungen, dann höre ich allein mit dem Implantat.
Ich vermute, dass ich irgendwann auch rechts ein Implantat benötige. Der größte Vorteil des Implantat-Systems ist für mich, dass das Hören einfach kein Thema mehr ist. Ich nehme es morgens an den Kopf und erst zum Schlafengehen ab. Das ist unglaublich entlastend.
Was raten Sie anderen Menschen mit ähnlichen Hörgeschichten?
Stefanie Schweda: Nehmt euren Hörverlust wirklich ernst. Je früherer jemand das Thema angeht und sich um Hörsysteme bemüht, desto besser. Und wenn ein Arzt ein Mittelohrimplantat empfiehlt, kann ich nur sagen: Niemand muss davor Angst haben, denn die Hörfähigkeit kann nur besser werden. Ich liebe mein neues Ohr und unter Freunden bezeichne ich mich damit auch mal im Spaß als Cyborg, also als Mensch-Maschine. Offen mit der Höreinschränkung umgehen, hilft ungemein. Mir selbst und meinen Mitmenschen, ob im Freundeskreis oder unter den Kolleginnen.
Lesen Sie mehr über Mittelohrimplantate als Alternative zum Hörgerät und erfahren Sie, wie diese funktionieren.