Ein Musikinstrument in Form einer Cochlea
Haben Sie schon einmal ein Alphorn in Cochlea-Form gesehen? Der Cochlea-Implantat-Träger und leidenschaftliche Musiker Heinz Kirchschlager aus Österreich hat ein solches Instrument gebaut. Und wieder gelernt, Musik mit Hörimplantat zu hören.
Heinz Kirchschlager ist Träger eines Cochlea-Implantats (CI) und trotzdem begeisterter Hausmusiker. Sein Hörimplantat animierte ihn zur Schaffung eines Alphorns, wie es die Musikwelt bislang noch nicht kannte.
Kirchschlager ist auf dem linken Ohr schwerhörig und trägt dort ein Hörgerät. Nach mehreren Hörstürzen verlor er dann 2017 auch sein Gehör im rechten Ohr. Zunächst hoffte er, dass ihm auch auf dem rechten Ohr ein Hörgerät weiterhelfen kann. Allerdings musste er erkennen, dass die akustische Verstärkung durch ein Hörgerät für sein ertaubtes Ohr nichts mehr half.
Der gelernte Maschinenschlosser, der jahrzehntelang in lauter Umgebung gearbeitet hatte, fühlte sich, wie so viele hochgradig schwerhörige Menschen, allein und einsam. Soziale Kontakte waren durch seinen Hörverlust nur noch sehr eingeschränkt möglich. Außerdem traf den Hobbymusiker auch der Verlust der Musik schwer. Sein kleines Ensemble, bei dem er mit der Steirischen Harmonika spielte, musste Kirchschlager wegen seiner Taubheit aufgeben.
Wieder Hören und Lebensqualität dank Cochlea-Implantat
Um wieder zum Hören und damit zu mehr Lebensqualität zurückzukommen, entschied er sich für eine Operation und ließ sich ein Cochlea-Implantat einsetzen. Das Hörimplantat ist ein kleiner Mini-Computer, der die Funktion der geschädigten Hörschnecke übernimmt.
Was ist die Hörschnecke?
Die Hörschnecke, auch Cochlea genannt, ist ein schneckenförmiger Hohlraum im Innenohr und gerade mal acht Millimeter klein. Hier werden die Schallwellen in elektrische Nervenimpulse umgewandelt. Nervenenden im Innenohr nehmen diese Impulse auf und leiten sie an das Gehirn weiter. So hören wir die Geräusche unserer Umgebung, Sprache und Musik.
In ihrer Gesamtheit kann man sich die Hörschnecke wie eine Wendeltreppe vorstellen. Beim gesunden Menschen hat sie zweieinhalb Windungen. Auf ihr befinden sich 15.000 bis 20.000 Sinneshärchen. Diese können durch Lärm beeinträchtigt oder dauerhaft geschädigt werden. Dann helfen Hörimplantate, die den geschädigten Teil des Innenohrs überbrücken.
Hören heißt, am Leben teilhaben
Nach der Operation und Aktivierung seines Implantats konnte Heinz Kirchschlager wieder an sein altes Leben anknüpfen. Unterhaltungen und Gespräche, Verstehen in normalen Alltagssituationen, all das, was Selbstständigkeit ausmacht, gelang ihm bald wieder gut. Nur mit dem Musik hören und musizieren mit Hörimplantat wollte es zunächst nicht so recht klappen. „Zwei Wochen nach meiner Erstanpassung nahm ich meine Harmonika in die Hand und begann zu spielen. Doch zu meiner Enttäuschung klang sie so schrecklich, dass ich sie gleich wieder in die Ecke stellte. Ich befürchtete, dass sie dort ihr Dasein fristen würde,“ erinnert er sich an diese Anfangstage mit dem CI zurück.
Musik genießen und musizieren mit Hörimplantat
Doch Heinz Kirchschlager gab auch in Sachen Hausmusik nicht auf. Er holt sein Instrument wieder hervor und übte regelmäßig. Wie beim Hören von Sprache und Geräuschen müssen Menschen mit Hörimplantaten das Musikhören erst wieder neu lernen. Das Hörtraining dauert in der Regel ein paar Monate, aber dann können die meisten auch Musik genießen und sogar selbst musizieren.
So ging es auch Heinz Kirchschlager. Bald war ihm der Klang seines Instruments wieder vertrauter. Eine gute Anpassung des CIs, eine Reha sowie die Arbeit mit einer Musiktherapeutin und der wertvolle Austausch in einer Selbsthilfegruppe unterstützen ihn beim Training wesentlich.
So funktioniert ein Hörimplantat
Die elektronische Hörprothese besteht aus zwei Teilen: Das Implantat mit der Elektrode wird operativ unter Vollnarkose in das Innenohr eingesetzt. Mikrofon, Sendespule und Sprachprozessor tragen die Betroffenen wie ein Hörgerät außen am Ohr. Dieser Audioprozessor registriert Schallwellen über Mikrofone und wandelt die ankommenden Signale in elektrische Pulsmuster um. Sie werden durch die Haut zum eigentlichen Implantat weitergeleitet, das hinter dem Ohrknochen im Schädel verborgen liegt. Die elektrischen Signale stimulieren dann direkt den Hörnerv. So übergeht das technische Wunderwerk das geschädigte Innenohr und macht das Hören wieder möglich.
CI tragen und Musik. Geht das überhaupt?
Es gibt CI-Träger, die problemlos direkt Musik mit dem Hörimplantat hören und genießen können, andere müssen sich diesen Genuss erarbeiten, einigen wenigen gelingt es leider nicht.
- Eine Hybridversorgung wie bei Heinz Kirchschlager – auf einem Ohr ein Hörgerät und auf dem anderen ein Hörimplantat – verbessert die Musikwahrnehmung.
- Das Wiederhören von Musik mit dem Hörimplantat kann parallel zur Sprachrehabilitation erfolgen.
- Dabei sollte man nicht mit hochkomplexer klassischer Musik beginnen, sondern die Anforderungen langsam steigern, um baldige Erfolgserlebnisse zu ermöglichen: Einfache Musik, Musik mit Gesang, rhythmusbetonte und bekannte Musik sind gut für den Anfang.
- Wer wieder selbst mit dem Musizieren beginnt, sollte ebenfalls einfache Lieder oder Akkorde üben und sich langsam steigern.
- Bestimmte CI-Zentren bieten spezielle Musik-Workshops. Hier kommen CI-Patienten mit Musikern und deren Instrumenten in direkten Kontakt, Musik wird so erlebbar und fühlbar gemacht. Für viele ist dieses Erlebnis der Anstoß, sich wieder aktiv mit dem Thema Musik zu beschäftigen.
- Ausdauer und Energie helfen, um zum Erfolg zu kommen. Oft brauchen Patienten viele kleine Schritte, viel Übung und Willen.
Vom Musiker zum Alphornbauer
Sein Interesse an Musik brachte den Niederösterreicher auf eine originelle Idee. Er nahm an einem Alphorn-Workshop teil und war begeistert: „Unser Workshop-Leiter motivierte uns alle mit seinem Enthusiasmus und lockte das Maximum aus uns heraus. Dabei ist das Alphorn für CI-Nutzer ein schwieriges Instrument. Neben dem Alphornblasen verbrachten wir viele schöne Stunden mit Gesang.“ Und nicht nur das. Der handwerklich talentierte Heinz versuchte sich in der Folge als Instrumentenbauer. Sein Projekt: ein Alphorn in Form einer Cochlea, gefertigt aus Holz und in F gestimmt.
Aus einer 4,26 Meter langen Fichte entstand ein Alphorn mit einem Ring aus Nuss- und einem Mundstück aus Dirndlholz. Unterstützt haben Heinz dabei ein Tischlermeister und Experte für Drechslerarbeiten und ein Spezialist für Fräsarbeiten. Dieses beeindruckende Instrument präsentierte er bei einem Treffen inklusive Wanderung und musikalischer Umrahmung mit dem neuen Cochlea-Alphorn.
„Musizieren und Töne hören sind ein wichtiger Teil meines Lebens“, erzählt Kirchschlager. „Heute kann ich wieder mit dem Hörimplantat musizieren und spiele oft mit der steirischen Harmonika und trete mit einem Musiker-Trio auf.“
Gehörloser Musiker warnt vor Dauerlärm
Heinz Kirchschlager war früher als Stahlbauschlosser und Maschinist tätig und dabei großer Lärmbelästigung ausgesetzt. Er bekam ein Knalltrauma und im Laufe der Zeit drei Hörstürze sowie Tinnitus. Schließlich wurde er auf dem rechten Ohr ganz taub. Durch das Implantat kann er heute wieder hören. Sein Hinweis, insbesondere an Jüngere: „Schützt eure Ohren in Beruf und Freizeit! Zu viel und ständiger Lärm schädigt die Ohren irreversibel.“
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