„Hörgeräte sind cooler, als viele denken“
Die 41-jährige Anne trägt seit 2018 eine CROS-Versorgung. Wie es dazu kam und was genau dahinter steckt, hat uns die Hörbotschafterin der Kampagne „Das Leben gehört gehört!“ im Interview erzählt.
Anne, wir freuen uns sehr, dass Sie Hörbotschafterin unserer Kampagne „Das Leben gehört gehört!“ sind. Wann haben Sie zum ersten Mal bemerkt, dass Ihr Hörvermögen beeinträchtigt ist?
Dass etwas nicht stimmt, habe ich 2018 bemerkt. Ich hatte erst ein seltsames Zirpen im rechten Ohr, dann habe ich auf dem Ohr gar nichts mehr gehört – ganz plötzlich über Nacht. Ich bin einseitig gehörlos aufgewacht und habe mir zunächst nichts dabei gedacht. Ich wurde dann von Arzt zu Arzt geschickt, ehe der HNO-Arzt mir dann empfahl, ein MRT zu machen. Das war Anfang 2019 und ich bekam die Diagnose „Hirntumor“. Danach ging alles recht schnell, denn der Tumor musste wegen seiner Größe herausoperiert werden. Leider hatte er bereits den Gleichgewichtsnerv und den Hörnerv irreparabel zerstört und auch den Gesichtsnerv geschädigt.
Wie ging es dann weiter?
Nach dem Krankenhausaufenthalt habe ich mich selbst um einen Termin bei diversen Hörakustikern gekümmert. Es dauerte etwas, bis ich den Passenden gefunden hatte. Dieser nahm sich viel Zeit und erklärte mit, was die beste Hörhilfe für mich ist: eine sogenannte CROS-Versorgung. Dabei trägt man an jedem Ohr ein Hörgerät, wobei am Gerät des gehörlosen rechten Ohres ein Mikrofon eingebaut ist. Dieses nimmt Schallwellen auf und leitet sie an das Gerät am hörenden Ohr weiter. Dadurch kann man mich von rechts ansprechen, zudem ist auch ein Rundumhören wieder möglich.
Wie hat sich das Tragen der Hörgeräte auf Ihr Leben ausgewirkt?
Die Eingewöhnung dauerte ein paar Monate. Am Anfang war mir oft recht schlecht. Man muss sich erst einaml an das Hören mit Hörgeräten gewöhnen. Alles klang erst einmal fremd, fast blechern und drei Mal verstärkter. Als sich mein Gehirn dann an die neue Situation gewöhnt hatte, war es angenehm, auch in einem lauten Umfeld wieder mehr mitzubekommen. Denn die Hörgeräte können Nebengeräusche und sogar meinen Tinnitus unterdrücken.
Mit der Kampagne „Das Leben gehört gehört!“ will der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie (BVHI) das Bewusstsein für gutes Hören schärfen und darüber informieren, wie man seinen Hörsinn lange erhalten und im Bedarfsfall bestmöglich versorgen kann. Die Hörbotschafter unterstützten dabei. Die Mission: Menschen zu motivieren, ihr Gehör regelmäßig überprüfen und im Falle eines Hörverlustes rechtzeitig professionell versorgen zu lassen.
Gab es emotionale Herausforderungen, die mit dem Tragen von Hörhilfen einhergingen?
Keiner aus meiner Familie trägt Hörsysteme oder war je hörgeschädigt. Und obwohl ich nicht mit meinem Schicksal hadere, hatten einige Angehörige Schwierigkeiten mit meiner neuen Situation umzugehen. Letztendlich waren sie überrascht darüber, wie klein die Geräte sind und wie sehr sie mir helfen. Ich hatte weniger emotional zu kämpfen als mein Umfeld.
Was raten Sie Menschen, die vielleicht zögern, sich Hilfe zu suchen?
Zuerst würde mich interessieren, warum jemand damit hadert, Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich vielleicht auch gegen Hörsysteme entscheidet. Glaubt derjenige, dass der Zustand seiner Hörminderung wieder vorbei geht? Schämt man sich Hörgeräte zu tragen? Denkt derjenige, dass sie zu teuer sind? Zu all diesen Vorwänden und Sorgen gibt es genug Gegenstimmen, die einem zögernden Menschen Mut machen und ihn anders stimmen könnten.
Ein guter Rat ist sicher, sich mit der Entscheidung Zeit zu lassen und sich dabei gut beraten zu lassen. Gut ausgebildete und empathische Hörakustiker gehen auf die Betroffenen individuell ein und zeigen ihnen geduldig die passenden Hörsysteme.
Wie können wir die Gesellschaft dazu ermutigen, offener über Hörgesundheit zu sprechen?
Gesundheit ist unser höchstes Gut. So offen, wie wir über andere Beschwerden oder Beeinträchtigungen sprechen, sollte man das auch im Hinblick auf die Hörgesundheit tun. Vielleicht könnten noch mehr hörgeschädigte Menschen via Social Media ihre Erfahrungen teilen. Mehr Werbung oder Events mit bekannten Gesichtern, die die Bevölkerung aufklären, könnten ebenfalls wirksam sein.
Lebensqualität verbessern – dank Hörgerät
Sie haben das Gefühl, nicht mehr alles richtig zu verstehen? Das ist kein Grund zur Beunruhigung. Das moderne Hörgerät ist schon lange nicht mehr die große braune Banane hinter dem Ohr. Die neuesten Modelle sind so klein, dass sie beim Tragen im Ohr kaum noch auffallen. Hörgeräte sind kleine Mini-Computer, die für jeden Träger die optimale Lösung bereit halten und sich individuell anpassen lassen.
Welche außergewöhnliche Situation hat sich durch das Tragen von Hörsystemen ergeben, die Sie nie erwartet hätten?
Meine Aufnahme in die Gehörlosencommunity, nachdem ich via Social Media publik gemacht hatte, dass ich einen Hörverlust erlitten habe und Hörgeräte trage. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, der Austausch ist immer herzlich und man wird nicht verurteilt oder wegen dieser Beeinträchtigung ausgeschlossen.
Welche Rolle spielt das Bewusstsein für Hörgesundheit in der Gesellschaft?
Ich habe das Gefühl, dass die Gesellschaft langsam offener wird, was gewisse Erkrankungen angeht. Das ist wichtig, zumal sich jede Erfahrung oder Krankheit anders auf einen Betroffenen auswirken kann. Bei Hörschädigungen weiß man mittlerweile, dass es Betroffene gibt, die sich mit ihrer unglücklichen Situation arrangieren und sich unbehandelt immer mehr in die Isolation zurückziehen. Das wiederum kann auch Depressionen hervorrufen.
Was ist Ihre wichtigste Botschaft für alle, die sich vor möglicher Stigmatisierung fürchten?
Es ist vollkommen egal, was andere Menschen denken oder sagen. Jeder sollte sich in einer Haut wohl fühlen, egal ob mit oder ohne Hilfsmittel. Hörgeräte sind viel cooler, als viele denken. Sie sind technisch fortgeschritten, man kann mit einigen Modellen sogar schwimmen gehen oder sie an Bluetooth koppeln, um zu telefonieren oder TV zu schauen. Wichtig ist, die für sich passende Hörhilfe zu finden. Und man kann mir glauben: Die gibt es!
Unsere Vorfahren nutzten Büffelhörner, um die Tiere zu hören, die sie jagten und vor denen sie sich schützen mussten. Moderne Hörgeräte sind kleine Hightech-Computer, die dem Träger eine Vielzahl nützlicher Funktionen bieten und zu einer höheren Lebensqualität beitragen. Je nach Art und Grad der Hörminderung, nach Beschaffenheit des Ohres und dem Wunsch, das Hörgerät diskret zu tragen, gibt es unterschiedliche Kategorien. Erfahren Sie mehr über die verschiedenen Kategorien und Funktionen, die das Hörgerät bietet und wie es zu einer höheren Lebensqualität beiträgt.
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