Hörphänomene: Wenn uns Töne übers Ohr hauen
Manchmal hören wir Dinge, die es gar nicht gibt. Wie die optische Täuschung unsere Augen, tricksen bestimmte akustische Phänomene unsere Ohren aus und erzeugen – mal gewollt, mal ungewollt – einen völlig anderen Höreindruck.
Der Straßenkünstler zeichnet mit Kreide eine Schlucht auf Pflastersteine und scheinbar öffnet sich tatsächlich der Boden vor den Füßen der Passanten und eine Schrift tritt hervor, die man nicht vermutet hat. Fast jeder kennt das Phänomen der optischen Täuschung, bei dem unsere Augen mitunter faszinierende Illusionen zeigen. Auch das Gehör wird manchmal im wahrsten Sinn des Wortes übers Ohr gehauen. Dann wird unser Gehirn, das fast rund um die Uhr Geräusche lokalisiert, einordnet, interpretiert und analysiert, ausgetrickst. Eine akustische Sinnestäuschung ist die Folge: Wir hören etwas, das es eigentlich gar nicht gibt. Das bekannteste Beispiel für einen solchen Effekt ist der Tinnitus. Die Betroffenen hören ohne äußere Geräuschquelle ein Klingeln, Rauschen oder Pfeifen.
Am Ohr herumgeführt
Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe akustischer Phänomene, die unsere Ohren hinters Licht führen. So hat der Psychologe Roger Shepard beispielsweise entdeckt, dass eine Tonfolge, die unverändert auf- oder absteigende Töne enthält, von unserem Gehör als unendliche Tonleiter wahrgenommen wird. Ein ähnliches Phänomen, dessen Ursache bislang allerdings ungeklärt ist, ist das Tritonus-Paradoxon. Hier zeigt sich gleichzeitig, wie unterschiedlich Menschen hören: So wird der gleiche Tonabstand von drei Ganztönen, der Tritonus, von manchen Hörern als aufsteigendes, von anderen als absteigendes Intervall wahrgenommen. Das heißt, der zweite Ton klingt für manche Menschen höher als der erste – oder anders herum.
Klangillusionen
Johann Sebastian Bach hat sich das Phänomen der akustischen Täuschung in einigen seiner Kompositionen zunutze gemacht, beispielweise in der Violinsonate C-Dur: Das Musikstück wird zwar nur von einem einzigen Instrument gespielt, durch die schnelle Tonfolge entsteht aber bei den meisten Hörern der Eindruck, dass hier mindestens zwei Instrumentalisten musizieren – die sogenannte scheinbare Vielstimmigkeit. Und die wohl schönste akustische Täuschung erzeugen wir selbst, indem wir uns beispielsweise eine Muschel ans Ohr halten. Das Meeresrauschen, das uns vom nächsten Urlaub am Südseestrand träumen lässt, ist in Wahrheit der verstärkte Umgebungslärm oder unsere eigene Blutzirkulation. In diesem Fall genießen wir die Täuschung aber einfach weiterhin.
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