Hörminderung im Beruf

Hörminderung im Beruf

Interview mit Jochen Müller, Kommunikationstrainer und Lebensberater für Menschen mit Hörverlust und Gründer der Kommunikationsbrücke. Er gibt wertvolle Empfehlungen zum Thema Beruf und Berufswahl und berichtet von seinen Erfahrungen rund um Cochlea Implantate (CIs).

Auf einen Blick

  • Anlaufstellen für Unterstützung bei der Arbeitssuche und der Ausstattung des Arbeitsplatzes
  • Der Austausch mit anderen Menschen mit Hörminderung ist sehr wichtig
  • Verstecken Sie Ihren Hörverlust nicht, kommunizieren Sie ihn

Können Sie uns erzählen, was Sie genau machen?

Ich arbeite schon sehr lange als Kommunikationstrainer und Lebensberater für Menschen mit Hörverlust. Vor sieben Jahren habe ich mich mit dem Unternehmen Kommunikationsbrücke selbstständig gemacht und damit noch einmal einen neuen beruflichen Akzent am Ende meiner Laufbahn gesetzt. Unterstützt werde ich von Renate Enslin, Heilpraktikerin für Psychotherapie.

Unsere Schwerpunkte sind Seminare, Workshops und Referate zu allen den Lebensalltag mit Hörbehinderung betreffenden Themen. Veranstaltungen dazu finden größtenteils in der Frankfurter Stiftung für Gehörlose und Schwerhörige statt. Wir werden außerdem von Verbänden, Vereinen, Gruppen und Institutionen gebucht. Zurzeit laufen Tagesseminare zum Thema „Wie stelle ich meinen Hörverlust in der Öffentlichkeit vor?“.

Können Sie aus Ihren Erfahrungen heraus erzählen, auf was Menschen mit Hörminderung und Schwerhörigkeit bei der Berufswahl achten sollten?

Mein Tipp für Hörgeschädigte bei der Berufswahl: Ich halte den Austausch mit Gleichbetroffenen, die bereits in ihrem erlernten Beruf arbeiten, für eine äußerst sinnvolle und hilfreiche Möglichkeit zur realistischen Selbsteinschätzung bei der Berufswahl. Suchen Sie Betroffene beispielsweise über Social-Media-Gruppen oder über den Integrationsfachdienst.

Anlaufstellen für Unterstützung bei der Arbeitssuche, Ausbildung, beruflicher Qualifizierung, behindertengerechter Ausstattung des Arbeitsplatzes:

Integrationsfachdienst für Hörgeschädigte

Servicetelefon für Menschen mit Hörbeeinträchtigung der Agentur für Arbeit

Bundesjugend, ein Verband junger Menschen mit Hörbehinderung e.V., (Facebook)

Weitere Informationen sowie Kontakt zu anderen Betroffenen findet man bei Verbänden wie dem Deutschen Schwerhörigen Bund e.V. (DSB),

in Beratungszentren wie HÖRBIZ,

der Deutschen Cochlea Implant Gesellschaft e.V (DCIG) und

der Deutschen Hörbehindertenselbsthilfe e.V. (DHS).

Für hörbeeinträchtigte Studenten oder Studienwillige gibt es die Bundesarbeitsgemeinschaft hörbehinderter Studenten und Absolventen (BHSA).

Mir persönlich wäre bei meiner im Nachhinein falschen Berufswahl sicherlich einiges erspart geblieben, wenn ich gewusst hätte, welche nachteiligen Auswirkungen mein eigener Hörverlust auf mich und auf mein soziales Umfeld hatte.

Das heißt konkret, wo sind die durch den Hörschädigungsgrad gesetzten Grenzen? Durch meine schwere Hörminderung benötigte ich beispielsweise grundsätzlich Blickkontakt und persönliche Zuwendung. Ich hatte aber nicht gelernt, das zu kommunizieren oder von meinem beruflichen Gegenüber einzufordern. Das erschwerte meine Lehre als Starkstromelektriker etwas, konnte mich aber nicht davon abhalten. Ich schloss diese Ausbildung erfolgreich ab.

Wie kann sich das berufliche Umfeld auf einen Hörverlust einstellen?

Dazu gehört das Bewusstsein, dass hörende Menschen über die Auswirkungen unseres Handicaps in der Regel wenig, gar nicht oder falsch informiert sind. Es genügt also nicht, nur über Verhaltensregeln für ein besseres Verstehen zu informieren. Wir müssen hörende Menschen zudem auf die Einhaltung dieser Regeln „trainieren“.

Das heißt, es braucht etwas Zeit, bis sie es verstanden haben. Dem entgegen steht ein hoher Arbeits- und Leistungsdruck am Arbeitsplatz. Da muss jeder Einzelne dem Anforderungsprofil entsprechen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass jeder funktionieren muss. In deutschen Unternehmen gibt es bislang kaum Erfahrungen im Umgang mit hörbehinderten ArbeitnehmerInnen. Auf der anderen Seite verschweigen die Betroffenen ihren Hörverlust aus Angst vor sozialer Ächtung, Diskriminierung, Stigmatisierung und Mobbing.

Infolgedessen habe ein Konzept für ein spezielles Angebot erarbeitet, das ich im September und November mit der Frankfurter Stiftung für Gehörlose und Schwerhörige als Träger in einem Wochenkurs für schwerhörige ArbeitnehmerInnen erstmals umsetzen konnte. Diese Veranstaltungen ist vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen und dem Integrationsamt als förderungswürdig anerkannt. Im nächsten Jahr sind vier weitere Wochenkurse geplant.

Wie hat sich Ihre Schwerhörigkeit im Laufe der Jahre entwickelt? Tragen Sie heute Cochlea-Implantate (CIs)?

Nachdem ich lange Jahre zwei Hörgeräte hatte, trage ich seit 2002 ein Cochlea-Implantat auf dem ertaubten rechten Ohr. 2008 habe ich mir auch auf dem bis dato mit einem Power-Hörgerät versorgten linken Ohr ein CI implantieren lassen.

Mussten Sie das Hören mit den Implantaten trainieren?

Ich war neugierig und gespannt auf das Hören mit meinen CIs. Auf diese Weise konnte ich auch jeden noch so kleinen Fortschritt sofort realisieren und darauf schnell aufbauen.

Wie ist Ihr Hörerlebnis mit den Cochlea-Implantaten heute?

Eigentlich gut. Probleme habe ich aber mit Kinderstimmen wegen der hohen Stimmlage. Das ist für mich auch leicht nachvollziehbar. Weil ich seit meinem vierten Lebensjahr bis zum erstmaligen Einschalten des Cochlea-Implantates die hohen Frequenzen nicht mehr wahrnehmen konnte, klingen diese für mich bis heute eher unangenehm.

Aber das Leben mit Hörverlust und CIs hat seine wunderbaren Seiten, wenn wir den Hörverlust als Teil unserer Persönlichkeit akzeptieren können! Einen sehr hohen Anteil an dieser positiven Einstellung hatten und haben für mich der Kontakt, die Begegnung und der Austausch mit Gleichbetroffenen.

Zum Abschluss: Wie verbringen Sie Weihnachten dieses Jahr?

Ich freue mich sehr auf die Weihnachtszeit nach diesem anstrengenden, außergewöhnlichen und sehr herausfordernden Jahr! Normalerweise verbringe ich Weihnachten mit meinen Geschwistern in Essen, dieses Jahr bleibe ich pandemiebedingt in Frankfurt. So kann ich endlich nach vielen Jahren einen selbst ausgesuchten Weihnachtsbaum nach meinem Geschmack ausschmücken. Das ist eine alte Tradition, die ich bis zum Ableben meiner Mutter mit Leidenschaft gepflegt habe.

Wir wünschen unseren Lesern ein frohes, gesundes Weihnachtsfest und erholsame Feiertage! 

Mehr Informationen zum Cochlea-Implantat können Sie hier nachlesen. Wie Menschen mit Hörgeräten und CIs arbeiten und Karriere machen, erfahren Sie in unserem Beitrag: Dank Hörgeräten erfolgreich im Job.

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