Die Geschichte der Hörgeräte

Vom Hörrohr zum Hightech-Hearable

Schon unsere Vorfahren bedienten sich verschiedener Hilfsmittel, um ihre Hörleistung zu optimieren. Jäger nutzten beispielsweise Büffelhörner, um Beutetiere besser zu hören. An diesem Prinzip – die Form der eigenen Ohrmuschel mit einem Hilfsmittel zur besseren Schallaufnahme zu vergrößern – hat sich bis ins späte 19. Jahrhundert kaum etwas geändert.

Geschichte des Hörgerätes
Büffelhörner gehörten zu den frühesten Hörhilfen

Wann wurde die erste Hörhilfe entwickelt?

Die ersten mechanischen Hörhilfen waren Hörrohre. Sie wurden im 17. Jahrhundert erfunden und gelten als erste Hilfsmittel, die speziell für Schwerhörige gefertigt wurden. Diese Hörrohre gab es in verschiedenen Formen und Größen und sie bestanden aus Eisenblech und Tierhörnern.

Der nächste Entwicklungsschritt fand erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit der Erfindung des zusammenklappbaren Hörrohrs statt. Frederick C. Rein war der erste, der solche Hörrohre ab dem Jahr 1800 kommerziell herstellte. Um die Geräte weniger auffällig zu machen, schuf Rein akustische Stirnbänder, welche die Hörapparate im Haar des Benutzers versteckten. Hörrohre wurden auch in Sofas, Kleidungstücken und Accessoires wie z.B. Spazierstöcken versteckt. Bei diesem Streben nach immer größerer Unsichtbarkeit ging es oft mehr darum, eine Schwerhörigkeit vor der Öffentlichkeit zu verbergen, als darum, eine Hörminderung effektiv auszugleichen.

Wer erfand das elektrische Hörgerät?

Voraussetzung für die ersten Hörgeräte war die Erfindung des Telefons von Alexander Graham Bell im Jahr 1876, das eine Technologie enthielt, mit der Lautstärke, Frequenz und Verzerrung von Geräuschen gesteuert werden konnten. Das erste elektrische Hörgerät wurde 1898 von Miller Reese Hutchison erfunden. Sein Entwurf nutzte elektrischen Strom, um schwache Signale zu verstärken.

1913 wurden der Welt die ersten kommerziell hergestellten Hörgeräte vorgestellt. Diese Geräte waren groß, umständlich und kaum mobil einsetzbar. In den 1920er Jahren kamen Vakuumröhren-Hörgeräte auf den Markt; diese Röhren waren in der Lage, Sprache in elektrische Signale umzuwandeln, die dann verstärkt wurden. Mehr Informationen zu den ersten Entwicklungen elektrischer Hörgeräte finden Sie im Beitrag zur Entstehung der Hörgeräte.

Miniaturisierung durch Transistoren

Die Miniaturisierung der Hörtechnologie wurde mit anderen technologischen Fortschritten eingeleitet, die durch den Zweiten Weltkrieg vorangetrieben wurden. 1948 wurde der Transistor erfunden, ein elektronisches Halbleiter-Bauelement zum Steuern niedriger elektrischer Spannungen und Ströme. Transistoren konnten die Vakuumröhren früherer Hörgerätemodelle ersetzen. Sie waren kleiner, benötigten weniger Batterieleistung und hatten weniger Verzerrungen.

Klein und diskret, dank Transistor

Der Umstieg auf kleinere, diskretere Hörgeräte begann 1948, als die Bell Telephone Laboratories den Transistor erfanden. Transistoren können den Stromfluss starten und stoppen sowie die Lautstärke steuern, sodass mehrere Einstellungen in einem Gerät vorgenommen werden können. Norman Krim, Ingenieur bei Raytheon und Erfinder der bisher genutzten Vakuumröhrentechnologie, erkannte die mögliche Anwendung von Transistoren in Hörgeräten. Bis 1952 konnte Krim Sperrschichttransistoren für Hörgerätehersteller herstellen. Die neuen Transistoren ermöglichten vor allem die Verkleinerung von Hörgeräten. Sie konnten entweder vollständig innerhalb oder hinter dem Ohr getragen werden.

Die Hörgerätetechnologie, die näher an der heute bekannten Technologie liegt, wurde in den 1960er Jahren eingeführt. In diesen Versionen wurde das Mikrofon in das Ohr platziert und durch ein kleines Kabel mit einem Verstärker und einer Batterieeinheit verbunden, die am Ohr befestigt waren. Diese Technologie blieb bis in die 1980er Jahre hinein weitgehend die gleiche, als erste digitale Signalverarbeitungschips entwickelt wurden. Der erste Hörgerätehersteller, der diese neue Technologie einsetzte, schuf hybride digital-analoge Modelle bis ins Jahr 1996, als das erste vollständig digitale Hörgerätemodell auf den Markt kam.

Die Entwicklungsschritte in der Hörtechnologie folgten seit dem Ende des 20. Jahrhunderts in immer kürzeren Zeitabständen aufeinander: In den 1980er Jahren wurden Hochgeschwindigkeitsprozessoren und Mikrocomputer entwickelt. In den 1990er Jahren erschien das erste volldigitale Hörgerät. Und die 2010er Jahre sahen die ersten Bluetooth-fähigen Geräte auf den Markt kommen.

Hörgeräte Kaffeebohnen
Moderne digitale Hörgeräte im Größenvergleich

Quantensprung Digitaltechnik

Moderne Hörgeräte sind dank digitaler Signalverarbeitung nicht nur winzig kleine und komfortable Hightech-Wunder, die im Verborgenen Höchstleistung erbringen. Ihre intelligente Technik sorgt dafür, dass ihr Träger hört, was wichtig ist, und störende Hintergrundgeräusche ausgeblendet werden. Dadurch bieten Hörgeräte heute ein authentisches, brillantes und störungsfreies Hörerlebnis.

Neben besserer Klangwiedergabe läutete die digitale Signalverarbeitung auch ein neues Zeitalter multifunktionaler Geräte ein, die mit dem Internet der Dinge verbunden sind. Ein Hörgeräteträger kann jetzt telefonieren, ohne sein Smartphone zu berühren und persönliche Assistenten wie Siri und Alexa können ebenfalls zur diskreten Verwendung aktiviert werden. Geolokalisierung zur Unterstützung der Programmauswahl und eingebettete Bewegungssensoren zur Verbesserung der Erkennung von Hörsituationen sowie zur Sturzerkennung werden ebenso in Hörgeräten integriert, wie Sprachübersetzung in Echtzeit. Die Verknüpfung des Hörsystems mit drahtlosen Geräten eröffnet enorme neue Funktionsbereiche.

Smart vernetzte Ohren

Doch Forschung und Entwicklung stehen nicht still. Ein noch relativ junger Trend vernetzt Hörsysteme mit Smartphones, Stereoanlagen, TV oder Navigationssystemen im Auto. Dadurch können Träger beispielsweise Musik von ihrem Smartphone direkt auf ihr Hörgerät streamen oder Einstellungen ihrer Hörsysteme per App auf ihrem Smartphone ändern. Auch der Remote-Support aus der Ferne durch einen Hörakustiker ist über eine Internetverbindung möglich.

Bluetooth ist hierbei der der gebräuchlichste Funkstandard, aber auch WLAN-Verbindungen sind mittlerweile möglich. Einige Hörsysteme-Hersteller entwickeln außerdem ihre eigenen Funkprotokolle. Die Möglichkeiten der Vernetzung von Hörgeräten mit Multimedia- & Smart-Home-Systemen sind noch lange nicht ausgeschöpft. So kann sich der Hörgeräte-Träger zum Beispiel auch Rauchmelder-Warnungen oder die Türklingel direkt in seine Hörgeräte übertragen lassen.

Die Zukunft der Hörgerätetechnik hat begonnen

Zu den jüngeren Innovationen der Hörgerätetechnik zählen eine neue Generation von durch künstliche Intelligenz (KI) gesteuerten Geräten, eine erweiterte Teleaudiologie, eine neue Sensortechnologie für die Gesundheits- und Fitnessüberwachung und vieles mehr. Wir geben Ihnen im Folgenden einen kurzen Überblick über einige der relevantesten Neuerungen.

Was ist künstliche Intelligenz in Hörsystemen?

Damit Hörgeräte akustische Umgebungen eigenständig erkennen, werden sie mit der Fähigkeit zu maschinellem Lernen (machine learning) ausgestattet; also mit einer künstlichen Intelligenz, die anhand eingespeister Daten dazu in der Lage ist, Rückschlüsse zu ziehen und sich auf dem Gebiet, in dem sie eingesetzt wird, selbstständig weiterzuentwickeln. Aus der Auswertung unzähliger Hörsituationen werden optimale Hör-Profile erstellt. Je mehr solcher Hör-Profile gespeichert werden, desto besser erkennt das Hörsystem verschiedene Situationen automatisch. So wird das Hörerlebnis in lauten Alltagssituationen, wie an Bahnhöfen, Flughäfen oder bei Großereignissen deutlich verbessert.

Tele-Audiologie & Machine Learning – Optimierung aus der Distanz

Tele-Audiologie steht für Kundenbetreuung und Hörgeräte-Optimierung per App aus der Distanz. Machine Learning ermöglicht, aus den durch die Nutzung von Hörsystemen gewonnenen Daten zu lernen, welche automatischen Feineinstellung der Hörgeräte in welchen Situationen optimal ist. Befindet sich ein Hörgeräteträger zum Beispiel in einer neuen akustischen Umgebung, wie auf einer Messe, am Flughafen oder im Großraumbüro, kann er dies in der App speichern. Machine Learning ermöglicht, dass sich die Hörgeräte die Nutzerpräferenzen merken und, wenn sie eine vergleichbare Hörsituation erkennen, sich automatisch auf diese einstellen. Je mehr Nutzungsprofile gespeichert werden, desto genauer passen sich die Hörsysteme den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Hörsystemträger an.

Konnektivität & Datenverarbeitung

Hörsysteme wandeln sich immer mehr zu digitalen Multitalenten. So können Hörgeräteträger dank diesen freihändig telefonieren, gesprochene Sprache in Text übermitteln und sich mit Bluetooth-fähigen Geräten verbinden – unabhängig davon, ob die Geräte mit dem Betriebssystem von Google (Android) oder Apple (iOS) laufen. Die digitale Anbindung von Hörgeräten ermöglicht auch weitere Funktionen, wie Übersetzungen direkt ins Ohr oder Gesundheits-Tracking Funktionen. So können beispielsweise Schrittzähler oder auch ein Sturz-Detektor mit automatischer Notruf-Funktion in die Hörgeräte integriert werden.

Konnektivität im Smart Home

Durch die Fähigkeit der Hörsysteme zur drahtlosen Konnektivität sind ihrer Anbindung ans Smart Home kaum Grenzen gesetzt. Möglich macht das die sogenannte IFTT-Technologie (If this, then that = wenn dies, dann das). Sie setzt einen definierten Prozess in Gang, wenn ein bestimmtes Ereignis eintritt. Ist zum Beispiel die Kaffeemaschine durchgelaufen, sendet sie ein Signal an das Hörsystem – diese Funktion lässt sich auf Waschmaschinen, Garagentore, Türklingeln und vieles mehr übertragen und individuell anpassen. So sind auch Erinnerungen des Terminkalenders und Echtzeit-Übersetzungsdienste direkt ins Hörgerät möglich. Forscher sind zudem überzeugt, dass bald virtuelle Sprachassistenten in Hörsystemen zum Einsatz kommen werden. Diese könnten etwa um eine Fokussierung auf eine bestimmte Person gebeten werden – zum Beispiel beim Restaurantbesuch mit dem Partner oder der Partnerin.

Die Geschichte der Hörgeräte wird stetig fortgeschrieben. Was gestern noch undenkbar schien und heute erforscht wird, kann morgen schon das Leben zahlreicher Hörsystemträgerinnen und Hörsystemträger entscheidend bereichern. Informieren Sie sich bei Ihrem Hörakustiker über die neuesten Gerätefunktionen.

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