Sind Hörgeräte-Tests möglich?
Der moderne Konsument informiert sich vor dem Kauf am häufigsten online: Er sucht Produktinformationen, recherchiert Preise, vergleicht Erfahrungs- und Testberichte. Letztere stehen für Hörgeräte nicht zur Verfügung. Anders als zum Beispiel Kopfhörer, Lautsprecher oder andere standardisierte Produkte der Unterhaltungselektronik, entfalten Hörgeräte ihren vollen Nutzen erst nach der individuellen Anpassung an die Bedürfnisse ihres Trägers oder ihrer Trägerin. Einmal von einem Hörakustiker eingestellt und angepasst, werden aus seriellen Produkten Unikate.
Kein Produkt von der Stange
Während die Stiftung Warentest wiederholt Tests von Hörgerätebatterien veröffentlicht, hat sie noch keine Tests von Hörgeräten durchgeführt. Aus gutem Grund: Ein In-Ear Kopfhörer zum Beispiel ist – selbst, wenn er gewisse individualisierbare Features aufweist – ein Standardprodukt, dessen wesentlichen Leistungsmerkmale sich leicht vergleichen lassen: z.B. Tragekomfort, Klangqualität oder Dämmung gegen Außengeräusche. Auch Hörgeräte sind insoweit standardisiert, als dass sie bestimmte technische Mindestvoraussetzungen erfüllen müssen. Die technischen Mindestvoraussetzungen für Hörgeräte, die gesetzlich Krankenversicherte bereits zuzahlungsfrei erhalten können, legt der GKV-Spitzenverband fest. Sie sehen unter anderem vor, dass die auf dem deutschen Markt angebotenen Hörgeräte über Digitaltechnik, mehrere Kanäle, ein Richtmikrofon, Rückkopplungs- und Störschallunterdrückung sowie eine Mindestanzahl von Hörprogrammen verfügen müssen. Erst dann sind sie durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattungsfähig.
Wenn also die hierzulande angebotenen Hörgeräte insoweit standardisiert sind, dass sie die genannten Mindestfunktionen erfüllen, lässt sich dann auch testen, wie sie dies tun? Könnten Hörgeräte aufgrund dieser gemeinsamen Mindestfunktionen im Rahmen eines Verbrauchertests miteinander verglichen werden?
Die Antwort ist: nein. Hörgeräte werden erst an ihre Nutzer abgegeben, nachdem sie zuvor von einem Hörakustiker exakt auf die speziellen Erfordernisse der individuellen Hörminderung ihres Trägers oder ihrer Trägerin eingestellt worden sind. Erst diese individuelle Anpassung macht aus einem – prinzipiell vergleichbaren – Serienprodukt ein Unikat. Wie ein Tester nach erfolgter Anpassung an seine Hörminderung die Qualität der genannten (und vielen anderen) technischen Funktionen bewerten und mit denen anderer Hörgeräte vergleichen würde, hängt dann allein von seiner subjektiven Wahrnehmung ab.
Testperson A bewertet die Sprach- oder Musikwiedergabe des Hörgerätes X als natürlich und wohlklingend. Testperson B empfindet diese als vergleichsweise künstlich. Sie bevorzugt die für ihr Hörempfinden wohlklingendere Musikwiedergabe von Gerät Y, die ihrem akustischen Empfinden mehr zusagt.
Selbst wenn beide Testgeräte messbar identische technische Voraussetzungen für die Musikwiedergabe bieten, also in einem standardisieren Verfahren gleich zu bewerten wären, können sie von zwei Hörgeräteträgern aufgrund ihrer jeweils unterschiedlich ausgeprägten Hörminderung und ihrer subjektiven Klangwahrnehmung völlig unterschiedlich bewertet werden.
Allein auf Grundlage subjektiven Empfindens und persönlicher Präferenzen ist ein standardisiertes Testverfahren jedoch nicht durchführbar.
Produktzufriedenheit im Test
Auch, wenn standardisierte Testverfahren individuell angepasster Hörsysteme nicht möglich sind, können Interessierte dennoch auf wertvolle Erfahrungsberichte und Nutzerbewertungen zurückgreifen.
Da die Zufriedenheit der Trägerinnen und Träger von Hörgeräten nicht zuletzt für die Hersteller von Hörsystemen von großer Bedeutung ist, geben diese regelmäßig repräsentative Umfragen unter Hörgeräteträgern in mehreren Ländern in Auftrag, so auch in Deutschland. Ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut führt die Befragungen durch und gewährleistet die Repräsentativität und Validität der erhobenen Daten. Da die Ergebnisse dieser Befragungen vor allem zur Aufklärung der Öffentlichkeit über den Nutzen von Hörsystemen beitragen sollen, werden sie veröffentlicht und sind unter anderem auf den Seiten des europäischen Hörsysteme-Herstellerverbandes EHIMA im Internet abrufbar.
Die sogenannten EuroTrak Umfragen kommen, da sie auch herstellerübergreifende Erfahrungs- und Zufriedenheitswerte abfragen, klassischen Testberichten am nächsten. Wer sich informieren möchte, wie zufrieden Hörgeräteträger verschiedener Länder mit welchen Aspekten ihrer Hörsystemen sind, erhält hier einen guten Überblick.
97% der zuletzt in Deutschland befragten Hörgeräteträgerinnen und Hörgeräteträger geben an, ihre Lebensqualität habe sich dank ihrer Hörgeräte verbessert. Zwei von drei Befragten berichten, sich wieder sicherer im Straßenverkehr zu bewegen, seit sie Hörgeräte tragen.
Für 82% der Hörgeräteträger entsprechen oder übertreffen ihre Hörsysteme sogar die in sie gesetzten Erwartungen. Nutzer der jüngeren Hörgerätegeneration (bis zu zwei Jahre alt) sind sogar zu 86% zufrieden mit ihren Geräten.
Quelle: Euro Trak Germany 2018. Repräsentative Studie unter 13.583 Bundesbürgern zu Hörvermögen und Hörgeräteadaption, Zürich (Anovum).
Servicezufriedenheit im Test
Wie erläutert, kann Stiftung Warentest zwar keine Hörgeräte vergleichen und testen, wohl aber Hörakustiker und deren Servicequalität. Damit steht sie nicht allein. Denn auch die gesetzlichen Krankenkassen befragen wiederholt ihre Versicherten nach deren Zufriedenheit mit den Hörakustikern. Und diese ist konstant sehr hoch.
Eine Umfrage der gesetzlichen Krankenkassen aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 86% der gesetzlich Krankenversicherten mit den Leistungen der Hörakustiker zufrieden sind.
Auch die EuroTrak-Studien für Deutschland bestätigen diesen positiven Befund: Demnach sind 89% der Hörgerätenutzer ausdrücklich mit der individuellen Beratung der Hörakustiker und 88% mit ihrer fachlichen Anpassleistung im Versorgungsprozess zufrieden.
Quellen: GKV-Spitzenverband (2019): Die Hörhilfenversorgung im Rahmen des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung. Beratungsqualität, Mehrkosten Versorgungszufriedenheit, Essen (Opta data); Euro Trak Germany (2018). Repräsentative Studie unter 13.583 Bundesbürgern zu Hörvermögen und Hörgeräteadaption, Zürich (Anovum).
Tests zu Ihrer Sicherheit: Hörgeräte werden intensiv geprüft
Verbraucherschutz-Verbände und Testinstitute gehen bei ihren Produkttests nach einem einfachen Prinzip vor: Sie wenden ein allgemein gültiges Prüfverfahren für eine Reihe gleicher Produkte an und fällen anschließend ein Urteil, welche Modelle die Besten sind. Bei Hörgeräten ist dies, wie dargelegt, unmöglich. Anders steht es um das Testen im Sinne einer Prüfung von Hörgeräten zum Zweck ihrer Qualitätssicherung: Als Medizinprodukte werden die in Deutschland verkauften Hörgeräte vor Markteinführung auf Herz und Nieren getestet. Gesetzlich ist sowohl die Prüfung ihrer medizinisch-technischen Leistungsfähigkeit als auch die Erfüllung besonderer Qualitätsanforderungen vorgeschrieben. Jedes neue Hörgerät durchläuft daher ein intensives Test- und Prüfverfahren, bevor es für die Versorgung hörgeminderter Menschen zugelassen wird. Das unterscheidet Hörgeräte als Medizinprodukte auch von einfachen Hörverstärkern, die ohne derlei Prüfungen verkauft werden dürfen und nicht für die Therapie einer Schwerhörigkeit geeignet sind.
Der wichtigste Test ist der Hörtest!
Während die Deutschen gerne Produkttests für eine Kaufentscheidung zu Rate ziehen, sind sie selbst – gerade wenn es um ihre Gesundheit geht – wahre Testmuffel. Eine Studie aus dem Jahr 2019 hat herausgefunden, dass die Deutschen zwar gut über die Möglichkeiten von Hörtests informiert sind, diese aber nur selten wahrnehmen. Die bereits erwähnte EuroTrak-Studie belegt: Nur 45% der Deutschen haben Ihr Gehör innerhalb der letzten fünf Jahre testen lassen.
Dabei sollte die Durchführung eines Hörtests zur jährlichen Routine werden. Vor allem ab dem 50. Lebensjahr, wenn die Altersschwerhörigkeit bei vielen Menschen langsam und unbemerkt einsetzt. Unsere Online-Hörtests ersetzen zwar nicht den professionellen Hörtest bei einem Hörakustiker – können aber erste Hinweise auf möglichen Handlungsbedarf geben. Mehr zum Thema Hörtest lesen Sie hier.