Von Geburt an gut Hören
Kinder, die schlecht oder nichts hören, lernen nur schwer oder gar nicht sprechen. Deshalb gilt: Je früher Hörprobleme erkannt und behandelt werden, umso größer sind die Chancen für eine normale, gesunde Sprachentwicklung. Untersuchungen haben gezeigt, dass Hörstörungen – vor allem Schwerhörigkeit – im ersten Lebensjahr therapiert werden sollten, damit sich die Sprache altersgerecht entwickeln kann. Auslöser einer angeborenen Hörminderung können Infektionen wie Mumps oder Masern sowie Sauerstoffmangel während der Geburt oder Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft sein. Schwerhörigkeit kann aber auch vererbt werden.
Warum ein frühes Hörscreening?
Der Hörsinn ist die Voraussetzung für das Erlernen der Lautsprache. Fehlt der Hörsinn oder ist das Hörvermögen erheblich eingeschränkt, nimmt der Säugling die Lautsprache nicht angemessen auf und kann sie nicht erlernen. Die Komplexität der Sprache erfordert eine hoch differenzierte Wahrnehmung und motorische Geschicklichkeit zur verständlichen Artikulation. Fehlendes Gehör führt zu deutlichen Mängeln in Sprachwahrnehmung, Spracherwerb und verständlicher Aussprache. Damit kann der Säugling auch kognitive und psychosoziale Leistungen nur eingeschränkt erwerben.
Die Entwicklung des Innenohrs (Hörschnecke, Corti-Organ) ist schon mit der 22. Schwangerschaftswoche abgeschlossen, die Nervenzellteilungen im zentralen Hörsystem im 8. Schwangerschaftsmonat. Das ungeborene Kind hat also schon vor der Geburt beträchtliche Hörerfahrung. Die zum Zeitpunkt der Geburt bereits entwickelte Hörfähigkeit ist in einem Screening-Verfahren feststellbar.
Was ist ein Neugeborenen-Hörscreening?
Standard-Untersuchung in den ersten Lebenstagen
Da Babys und Kleinkinder noch nicht selbst mitteilen können, dass sie nichts hören, ist das Neugeborenen-Hörscreening eine Untersuchung, auf die jeder neue Erdenbürger in Deutschland Anspruch hat. Seit 2009 ist dieser Hörtest eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Das Screening wird üblicherweise in den ersten Lebenstagen durchgeführt und dauert nur wenige Minuten. Ein Kinderarzt untersucht über die Messung der otoakustischen Emissionen, ob das Innenohr funktionsfähig ist. Hierbei wird ein Sondenton ins Ohr gesendet, worauf ein funktionsfähiges Gehör mit einem zweiten Ton als Antwort reagiert. Die Untersuchung ist schmerzfrei und lässt sich sogar durchführen, wenn das Baby schläft.
Ist das Ergebnis des Hörscreenings auffällig oder nicht aussagekräftig, muss der Säugling noch einmal kontrolliert werden. Reste vom Fruchtwasser im Gehörgang können beispielsweise die Weiterleitung des Schalls beeinträchtigen. Sollte das erneute Testergebnis wieder auffällig sein, schließt sich eine sogenannte Hirnstammaudiometrie an. Damit werden die Nervenreaktionen untersucht, die bei der Verarbeitung von Hörreizen im Gehirn stattfinden.
Ablauf des Hörscreenings
Das Hörscreening gliedert sich in drei Stufen:
1. Erst- und Nachscreening
In der ersten Stufe soll ein Hörscreening in den Geburtskliniken erfolgen. Neugeborene und Säuglinge, die dort nicht erfasst werden, sollen in Praxen/Einrichtungen mit fachspezifischen Kenntnissen (HNO/Pädiatrie) oder phoniatrischen/pädaudiologischen Institutionen untersucht werden. Bei Testauffälligkeit ist nach Möglichkeit das Nachscreening noch während des stationären Aufenthaltes empfehlenswert.
2. Kontrollscreening
In der zweiten Stufe findet nach auffälligem Erstscreening ein Kontroll-Hörscreening beim Kinderarzt, HNO-Arzt oder Pädaudiologen/Phoniater statt. Wird der testauffällige Befund bestätigt, wird das Kind einer dritten Stufe zugeführt.
3. Diagnostik
Die dritte Stufe ist die Diagnostik in phoniatrisch-pädaudiologischen Einrichtungen mit „Goldstandard-Verfahren“ und Verordnung von Hörsystemen. Gleichzeitig ist eine hörgeschädigtenpädagogische Frühförderung und Begleitung der Eltern mit früher Hör-/Sprachanbahnung einzuleiten.
Nach dem Screening
Ziel eines Universellen Neugeborenen-Hörscreenings ist die Erfassung eines hörgeschädigten Kindes in den ersten Tagen nach der Geburt und dessen Diagnostik bis spätestens zum dritten Lebensmonat. Eine Herausforderung sind die sofort anschließende Versorgung mit Hörsystemen und die hörgeschädigtenpädagogische Frühförderung, beides möglichst vor dem sechsten Lebensmonat.
Und wenn mein Kind Hörsysteme benötigt?
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen eine qualitativ hochwertige, eigenanteilsfreie Versorgung hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher mit Hörsystemen. Zur Versorgung durch den Hörakustiker gehören die Beratung bei Auswahl, Anpassung von Hörsystemen, die Lieferung von Hörsystemen, Kinderwinkel und Zubehör, die Durchführung der Nachbetreuung (einschließlich Beratung, Anpassungen, Einstellungen etc.), Reparaturen, Wartung und Instandhaltung. Zahlreiche Hörakustiker haben sich auf die Betreuung von Kindern spezialisiert.
Entsprechend qualifizierte Hörakustiker in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Akustikersuche, wenn Sie Ihre Suchergebnisse nach dem Stichwort „Pädakustik“ filtern.
Hörsysteme für Kleinkinder
Abhängig von der diagnostizierten Hörminderung kann der HNO-Arzt sowohl nicht implantierbare Hörsysteme (klassische Hörgeräte oder Knochenleitungsgeräte für Kinder) als auch implantierbare Hörsysteme (Hörimplantate, wie das Cochlea-Implantat) verordnen.
Für die Säuglings- und Kinderversorgung stehen heute eine ganze Reihe von Hinter-dem-Ohr-Hörsystemen (HdO) zur Verfügung, mit denen man eine robuste und „rückkopplungsfeste“ Versorgung erreichen kann. Sie sind mit kinderspezifischem Zubehör ausgestattet und verfügen über einen Audio-Eingang zum Anschluss von Zubehör, z. B. FM-Empfänger. Es gibt Hörsysteme in ausreichender Zahl mit verschiedenen Einstellmöglichkeiten für die jeweilige Hörfähigkeit des Kindes. Darüber hinaus sind sie in vielen Farben erhältlich.
Leidet ein Kind unter einer hochgradigen oder an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit und eine Behandlung mit Hörgeräten reicht nicht aus, dann bietet sich ein Cochlea-Implantat (CI) an. Kindern mit einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, deren Haarsinneszellen in der Cochlea, der Hörschnecke im Innenohr, fehlen oder beschädigt sind, ermöglicht ein Cochlea-Implantat gut zu hören, indem es den geschädigten, nicht mehr funktionierenden Teil des Innenohrs überbrückt.
Selbst für Kinder, die unter einer angeborenen Taubheit leiden und bei denen kein Hörnerv vorhanden oder dieser defekt ist, gibt es Lösungen – sogenannte Hirnstammimplantate.
Neben Hörimplantaten können auch Knochenleitungsgeräte eine geeignete alternative Versorgungsform sein. Bei Knochenleitungsgeräten wird der Schall durch den Schädelknochen direkt zum Innenohr weitergeleitet. Sie werden hinter dem Ohr getragen und erzeugen Vibrationen statt Schall. Damit wird das Außen- und Mittelohr umgangen. Für Kinder mit äußeren Fehlbildungen, etwa an der Ohrmuschel, sind Knochenleitungsgeräte häufig die einzige Möglichkeit, eine Hörversorgung zu ermöglichen. Sie können unter anderem als praktisches Stirnband getragen werden.
Die wichtige Botschaft für alle Eltern ist: Auch der positive Befund einer Hörminderung im frühen Kindesalter bedeutet keinen Nachteil in der Entwicklung Ihres Kindes: Moderne Hörsystemtechnik bietet vielfältige Lösungen für verschiedenste Formen des Hörverlustes.
Detaillierte Informationen zum frühkindlichen Hören und zum Neugeborenenhörscreening erhalten Sie hier.