Gut hören – die beste Starthilfe ins Leben
Ein gesundes Gehör ist für Kinder unersetzlich, damit sie sich geistig und sozial normal entwickeln können. Daher kommt Eltern die Aufgabe zu, eine Schwerhörigkeit frühestmöglich zu erkennen, behandeln zu lassen. Auch bei normalhörenden Kindern ist auf einen sorgsamen Umgang mit dem eigenen Gehör zu achten, um späteren Hörminderungen aufgrund zu hoher Lärmbelastung vorzubeugen.
Neugeborenen-Hörscreening: gut hören von Anfang an
Eine Hörminderung ist die häufigste angeborene Sinnesstörung. Je früher sie behandelt wird, desto größer sind die Heilungschancen und die Möglichkeiten, dass die betroffenen Kinder sich unbeeinflusst von ihrer Schwerhörigkeit gesund entwickeln. Um dies zu gewährleisten, besteht für Neugeborene seit 2009 ein gesetzlicher Anspruch auf das sogenannte Neugeborenen-Hörscreening. Mit dieser Untersuchung wird unmittelbar nach der Geburt festgestellt, ob ein Kind gut hört – was für die frühkindliche Entwicklung und vor allem für den Spracherwerb entscheidend ist.
Beim Neugeborenen-Hörscreening wird mittels Hirnstamm-Audiometrie die Reaktion des Gehirns auf einen Sondenton gemessen. Dazu werden kleine Elektroden auf Stirn, Nacken und Wangen des Babys geklebt oder ein Gerät mit integrierten Elektroden verwendet. Misst das Gerät eine Hirnreaktion auf den Ton, sind Mittelohr, Hörschnecke, Hörnerv und der untere Teil der Hörbahn intakt. Diese Untersuchung ist für das Baby schmerzfrei und kann sogar durchgeführt werden, wenn es schläft. Mehr zum Neugeborenen-Hörscreening erfahren Sie hier.
Eltern hören für ihre Kinder
Gerade, weil Babys noch nicht selbst sagen können, ob sie etwas hören oder nicht, ist in den ersten Lebensmonaten die erhöhte Aufmerksamkeit der Eltern gefordert. Wendet sich das Kind beispielsweise nicht zu einer Geräuschquelle, wie einer Rassel, hin oder reagiert nicht auf die unmittelbare Ansprache, sollten die Eltern das Gehör ihres Kindes untersuchen lassen. Auch später bleibt Hörvorsorge eine wichtige Aufgabe der Eltern, indem sie ihren älteren Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrem Gehör vorleben und zu hohen Lärm (z.B. im Haushalt) vermeiden. Spätestens im Teenager-Alter sollten Eltern ihre Kinder darüber informieren, welche Schäden sie ihren Ohren zufügen, wenn sie sich ohne Gehörschutz über Stunden lauter Musik aussetzen und welche Kopfhörer beispielsweise dazu geeignet sind, Musik mit dem Smartphone zu hören. Auch sollten sie mit ihnen über das Thema Hörverlust sprechen, damit sie für den Umgang mir hörgeminderten Menschen jeden Alters sensibilisiert sind.
Checkliste: Wenn Ihr Kind in den ersten Monaten nicht spricht: Genau beobachten
0 bis 6. Monat Suchen Kinder in den ersten sechs Lebensmonaten keinen Blickkontakt, reagieren nicht auf Geräuschquellen oder laute Schrecksituationen sind dies Anzeichen für eine Schwerhörigkeit. Zudem testen Säuglinge in den ersten Lebensmonaten ihre Stimme, indem sie brabbeln.
6 bis 12. Monat Hört das Brabbeln nach etwa sechs Monaten auf, kann dies ebenfalls auf eine Hörminderung hindeuten. Weitere Hinweise sind zudem fehlende Gesten oder wenn Ihr Kind die Hand nicht nach Dingen ausstreckt.
12 bis 18. Monat In diesem Zeitraum sprechen Kinder normalerweise einzelne Wörter, kommunizieren mit Gestik sowie Mimik und zeigen auf Dinge, Menschen oder andere Lebewesen. Macht Ihr Kind dies nicht, kann eine Hörminderung die Ursache sein.
Ist Ihr Kind zwischen 1,5 und 2 Jahren alt (18. bis 24. Monat) und hat einen Wortschatz von weniger als 50 Wörtern oder spricht im Alter von 24. bis 30. Monaten immer noch unverständlich sowie keine 2-Wort-Sätze, können die Ohren der Grund dafür sein.
Trifft eine dieser Aussagen zu, gilt: Keine Panik.
Ein Besuch beim HNO-Arzt gibt Ihnen die nötige Sicherheit und klärt auf, ob bei Ihrem Liebling wirklich eine Hörminderung vorliegt und welche Schritte dann zu unternehmen sind. Sollte der HNO-Arzt eine Beeinträchtigung des Gehörs feststellen, hilft die Hörakustik weiter.
Hörsystem-Versorgung bei Kleinkindern
Die Möglichkeiten und Grenzen der Versorgung frühkindlicher Hörstörungen werden in erster Linie vom Zeitpunkt der Diagnose und dem Versorgungsbeginn bestimmt. Eine normale Entwicklung innerhalb der sensiblen Phase der Reifung des Gehörs nach der Geburt ist nur durch eine ausreichende akustische Stimulation möglich. Aus diesem Grund sollte bei allen Hörstörungen die Hörsystem-Versorgung in den ersten Lebensmonaten vorgenommen werden.
Die Versorgung mit Hörsystemen im Säuglings- und Kleinkindalter weicht in vielen Punkten erheblich von der Versorgung bei Erwachsenen ab. Um Art, Grad und Verlauf der Hörstörung genau zu erfassen, sind gründliche und umfangreiche Hörprüfverfahren notwendig, bevor mit den Hörsystem-Versorgungen begonnen werden kann. Dazu gehören Verfahren, wie die Reflex- und Verhaltensaudiometrie, sowie Messungen, die die Leistung des Mittelohres, des Innenohres und der Hörbahn erfassen. All diese Verfahren können bereits im Säuglingsalter angewandt werden. Die Hörsystem-Versorgung erfolgt in der Regel auf beiden Ohren. Neben klassischen (im oder hinter dem Ohr getragenen) Hörgeräten gibt es noch weitere Versorgungsoptionen.
Alternativen zu Hörgeräten für Kinder
Leidet ein Kind unter einer hochgradigen oder an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit und eine Behandlung mit Hörgeräten reicht nicht aus, dann bietet sich ein Cochlea-Implantat (CI) an. Kindern mit einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, deren Haarsinneszellen in der Cochlea, der Hörschnecke im Innenohr, fehlen oder beschädigt sind, ermöglicht ein Cochlea-Implantat gut zu hören, indem es den geschädigten, nicht mehr funktionierenden Teil des Innenohrs überbrückt.
Selbst für Kinder, die unter einer angeborenen Taubheit leiden und bei denen kein Hörnerv vorhanden oder dieser defekt ist, gibt es Lösungen – sogenannte Hirnstammimplantate.
Neben Hörimplantaten können auch Knochenleitungsgeräte eine geeignete alternative Versorgungsform sein. Bei Knochenleitungsgeräten wird der Schall durch den Schädelknochen direkt zum Innenohr weitergeleitet. Sie werden hinter dem Ohr getragen und erzeugen Vibrationen statt Schall. Damit wird das Außen- und Mittelohr umgangen. Für Kinder mit äußeren Fehlbildungen, etwa an der Ohrmuschel, sind Knochenleitungsgeräte häufig die einzige Möglichkeit, eine Hörversorgung zu ermöglichen. Sie können unter anderem als praktisches Stirnband getragen werden. Mehr zu Knochenleitungsgeräten für Kinder erfahren Sie hier.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen eine qualitativ hochwertige, eigenanteilsfreie Versorgung hörgeminderter Kinder und Jugendlicher mit Hörsystemen. Zur Versorgung durch den Hörakustiker gehören die Beratung bei Auswahl, Anpassung von Hörsystemen, die Lieferung von Hörsystemen, Kinderwinkel und Zubehör, die Durchführung der Nachbetreuung (einschließlich Beratung, Anpassungen, Einstellungen etc.), Reparaturen, Wartung und Instandhaltung.
Speziell für die Versorgung von Kindern qualifizierte Hörakustiker in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Akustikersuche, wenn Sie Ihre Suchergebnisse nach dem Stichwort „Pädakustik“ filtern.
Risiko: Lärmbelastung von Schulkindern
Bereits im Kindesalter kann die alltägliche Lärmbelastung gravierende Folgen haben. Laut einer Untersuchung des Erasmus University Medical Center in Rotterdam, führt zu hohe Lärmexposition bereits bei jedem siebten Schulkind zu einem Hörverlust. Der alltägliche Lärmpegel, dem Kinder in ihrem Schulalltag ausgesetzt sind, ist hoch – nicht nur aufgrund zu lauter Musik aus Kopfhörern und MP3-Playern. In deutschen Klassenzimmern werden Spitzen von 85 Dezibel erreicht, einem Geräuschpegel, der nachhaltige Schäden verursachen kann, wenn er über einen längeren Zeitraum einwirkt. Zum Vergleich: Ein Martinshorn aus 10m Entfernung verursacht einen Lärm von 90 Dezibel. Oft liegt es in den Schulen an der schlechten Akustik alter Klassenzimmer, die zum Beispiel sehr stark hallen. Aber auch große Fensterfronten und karge Wände können den Schall ungünstig reflektieren und für eine allgemein hohe Lautstärke sorgen.
Hörverlust bei Kindern vorbeugen
Um Hörschäden zu vermeiden, sollte der Lärmprävention im Schulalltag mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Das fördert die Konzentration und die allgemeine Leistungsfähigkeit. Verschiedene Institutionen bieten bereits Projekte zur Reduzierung von Lärm in Schulen an. Mehr dazu erfahren Sie hier. Nicht überall lässt sich der Lärm jedoch ohne weiteres reduzieren. Das Zuhause sollte dann zumindest ein ruhiges Umfeld bieten, in dem sich die Ohren erholen können.
Auch die Wahl der von Kindern genutzten Kopfhörer ist von Bedeutung. Ihr Schalldruckpegel sollte auf 85 Dezibel begrenzt sein. Kopfhörer ohne das GS-Zeichen können bis zu 110 Dezibel erreichen, also nur 10 Dezibel unter der Schmerzgrenze. Zudem sind On-Ear und Over-the-Ear Kopfhörer besser geeignet für das kindliche Gehör. Modelle mit aktiver Geräuschunterdrückung nehmen Umgebungsgeräusche mit kleinen Mikrofonen auf und steuern mit Gegenschall dagegen – diese Technologie nennt man „noise cancelling“. So kann man mit geringerer Lautstärke ungestört Musik hören – sogar im Schulbus.
Die Pflege des Hörsinns durch Lärmprävention kann nicht früh genug beginnen. Wie Sie oder Ihre Kinder Hörschäden durch zu laute Musik aus Kopfhörern vermeiden, lesen Sie hier.