Wer mit 70 gut hören will, sollte mit 50 handeln!
Viele Ältere kümmern sich nicht rechtzeitig um ihr Gehör und werden schleichend schwerhörig, obwohl die Versorgung mit Hörsystemen in Deutschland sehr gut ist. Ein Hör-Screening ab 50 als Fragebogen kann Abhilfe schaffen. Wie das funktioniert, erklären zwei Experten.
Auf einen Blick
- Was ist das Hör-Screening ab 50?
- Mehr Hörgesundheit erspart unserem Gesundheitssystem viele Kosten
- Wer im Alter gut hört, schützt sich vor Krankheiten und Gebrechen
- HNO-Ärzte fordern: Regelmäßiger Hör-Fragebogen ab 50 als Präventionsleistung der Krankenkassen
Was ist das Hör-Screening per Fragebogen ab 50?
PD Dr. Jan Löhler, Direktor des Wissenschaftlichen Instituts für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO): Dieser Hör-Check ist ein kurzer Fragebogen, den wir an unserem HNO-Institut entwickelt und evaluiert haben. Er umfasst sechs einfache Fragen, die Patienten bei Ihrem Hausarzt oder jedem anderen Mediziner beantworten können. Die Arztpraxen werten die Antworten standardisiert aus und wissen sofort: Dieser Patient hört schlecht und muss fachärztlich untersucht werden. Oder sie erkennen, dass die Hörfähigkeit altersgemäß noch passt, man das aber im Auge behalten und im nächsten Jahr wieder einen Hör-Check per Fragebogen machen sollte. Denn unsere Hörfähigkeit nimmt ab dem 50. Lebensjahr oft schleichend, später dann deutlich ab. Wer mit 70 gut hören will, muss mit 50 handeln.
Was hat dieser Hör-TÜV mit dem Leistungskatalog der Krankenkassen zu tun?
Dr. Stefan Zimmer, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Hörsysteme-Industrie (BVHI):
Studien wie die von Hélène Amieva und der Lancet Kommission legen einen Zusammenhang zwischen unversorgter Schwerhörigkeit und einem höheren Risiko nahe, im Alter an Alzheimer, Demenz oder Depressionen zu erkranken. Wer seine Schwerhörigkeit rechtzeitig erkennt und durch ein Hörsystem versorgen lässt, kann diese Risiken unter Umständen senken. Deshalb sollten Menschen ab 50 ihr Augenmerk auf die rechtzeitige Diagnose und Behandlung von Schwerhörigkeit richten. Der wissenschaftlich erprobte Fragenbogen für das Hör-Screening ab 50 steht allen kostenfrei zur Verfügung. Übrigens auch online unter www.mini-audio-test.de.
Wer kann diesen initialen Hör-Check ab 50 vor Ort besser anbieten und auswerten als Ärzte, wie der Hausarzt oder etwa Internisten, Urologen, Frauen- oder HNO-Ärztinnen, die ihre Patienten kontinuierlich behandeln und denen die Menschen vertrauen? Für die Ärzte muss eine solche Beratungs- und Gesundheitsleistung natürlich auch abrechenbar sein. Deshalb fordert der BVHI gemeinsam mit dem WIAHNO und dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte (BVHNO), dieses Hör-Screening ab 50 in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Dann können Ärzte diesen Hör-Fragebogen, ähnlich wie eine Krebsvorsorgeuntersuchung, unkompliziert und regelmäßig durchführen und sofort auswerten. Der Screening-Fragebogen unter ärztlicher Anleitung wird so ein wichtiger Türöffner für mehr Hörgesundheit und damit mehr Lebensqualität im Alter.
Der anschließende gründliche Hörtest ist übrigens bereits eine kostenfreie Kassenleistung, die jeder beim HNO-Arzt seiner Wahl machen lassen kann.
Ü50 und noch nie beim Hörtest: Ein Viertel der älteren Deutschen kümmert sich nicht ums Gehör!
In einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Civey hat der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie (BVHI) untersucht, wie gut sich Menschen um ihr Gehör kümmern. Die Ergebnisse zeigen: Ein Viertel der Deutschen ab 50 Jahren hat noch nie einen Hörtest gemacht. Bei 21 Prozent der Befragten über 50 liegt der letzte Hörtest bereits über fünf Jahre zurück.
Das Problem: Ein etwa ab dem 50. Lebensjahr einsetzender altersbedingter Hörverlust beginnt oft schleichend und kann lange Zeit unbemerkt bleiben. Die Betroffenen werden zunehmend schwerhöriger und verstehen viele Gespräche nur noch bruchstückhaft. Sie drehen den Ton des Fernsehers auf, reden lauter und akzeptieren, manches schlicht zu überhören. Viele sind erst dann bereit zu handeln, wenn sich ihr Hörverlust vor den Mitmenschen nicht länger verbergen lässt. Allerdings kann er dann bereits so weit fortgeschritten sein, dass die Gewöhnung an ein Hörsystem schwerer fällt. Denn die Betroffenen haben das normale Hören bereits teilweise verlernt, da unser Gehirn vergisst, was nicht stetig gefordert und trainiert wird. Diese Patienten müssen sich erst wieder an gutes Hören gewöhnen und das Hören mit den neu angepassten Hörgeräten durch Üben erlernen.
Wie lange hat die Entwicklung des Hör-Screening-Fragebogens gedauert?
Jan Löhler: Gemeinsam mit Wissenschaftlern und Doktoranden haben wir diesen Fragebogen zur Überprüfung der Hörleistung in jahrelanger Arbeit entwickelt. Dabei wurden Fragen wie „Das Zwitschern von Vögeln oder das Zirpen von Grillen höre ich schlecht“ stufenweise optimiert. Übrig geblieben sind sechs einfache Fragen, bei denen die Patienten nur ‚stimmt‘, ‚stimmt teilweise‘ oder ‚stimmt nicht‘ ankreuzen müssen. Wir haben genau überprüft, dass die Auswertung funktioniert. Sie zeigt, wann ein Hörtest erforderlich ist; nämlich dann, wenn laut Fragebogen bei den Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits eine deutliche Hörminderung vorliegt, die unbedingt behandelt werden sollte.
Wir wollen mit dem Mini-Audio-Test einen Beitrag für mehr Hörgesundheit im Alter, also für die noch bessere Versorgung von Schwerhörigkeit, leisten. Es gilt zu verhindern, dass Menschen wegen eines Hörverlust nicht mehr an der Gesellschaft teilnehmen können.
Welche Kosten entstehen durch unbehandelte Schwerhörigkeit?
Stefan Zimmer: Studien, wie die der renommierten Lancet-Kommission, legen ein signifikant höheres Risiko nahe, an Alzheimer und Demenz zu erkranken, sofern eine Hörminderung im mittleren Lebensalter unbehandelt bleibt. Dies wiederum kann hohe Folgekosten für die Betreuung und Pflege älterer Menschen nach sich ziehen.
39 Milliarden Euro betragen die Kosten für unversorgte Hörminderungen allein in Deutschland – pro Jahr (Quelle: Hearing Loss – Numbers and Costs 2019)! Das sind jährlich 10.300 Euro pro einzelnem, unversorgtem Schwerhörigen, die sich einsparen ließen. Unbehandelte Schwerhörigkeit reduziert die Lebensqualität von Älteren maßgeblich. Schlechthörende Senioren stürzen häufiger, können nur sehr eingeschränkt mit ihren Mitmenschen kommunizieren und geraten oft in Isolation.
Mit dem fragebogengestützten Hör-Screening ab 50 als Vorsorgeleistung der gesetzlichen Krankenkassen können Schwerhörige frühzeitig ärztlich diagnostiziert und hörakustisch versorgt werden. Diesem geringen Aufwand und sehr niedrigen Kosten stehen die oben genannten gewaltigen Einsparpotentiale gegenüber.
Mit dem fragebogengestützten Hör-Screening ab 50 als Vorsorgeleistung der gesetzlichen Krankenkassen können Schwerhörige frühzeitig ärztlich diagnostiziert und hörakustisch versorgt werden. Diesem geringen Aufwand und sehr niedrigen Kosten stehen die oben genannten, gewaltige Einsparpotentiale gegenüber.