Grenzenlose Hörgeräteversorgung
In vielen Ländern können Menschen mit einer Hörminderung nicht richtig versorgt werden – insbesondere in Osteuropa existiert großer Nachholbedarf. Hierzulande gibt es mittlerweile einige Hilfsprojekte, mit denen deutsche Hörakustiker Menschen in Osteuropa wieder „Gehör verschaffen“.
Auf einen Blick
- Hörgeräteversorgung in vielen Ländern unzureichend
- Viele Hörakustiker helfen vor Ort und stehen den Menschen auch beratend zur Seite
- „Hören ohne Grenzen“ koordiniert Hilfe für Schwerhörige in Osteuropa
Während der Hörakustiker Peter Reinhard nach Moldawien gereist ist, um vor Ort dafür zu sorgen, dass Menschen mit einer Schwerhörigkeit wieder besser hören können, unterstützten Akustiker mit dem Projekt „Hören ohne Grenzen“ Menschen mit einem schlechten Gehör in der Ukraine.
Wie ein Hörakustiker Schwerhörigen in Moldawien hilft
Der Moldawier Andrei ist fast 50 Jahre alt, alleinerziehender Vater und auf beiden Ohren fast taub. Ihm geht es wie vielen Menschen in Moldawien, einem der ärmsten Staaten in Europa. Denn sowohl die medizinische Versorgung als auch ganz speziell die Hörgeräteversorgung von Menschen mit einer Schwerhörigkeit ist dort längst nicht gewährleistet. Von dieser Situation hat der Hörakustiker Peter Reinhard über Bekannte erfahren, die selbst aus Moldawien stammen, mittlerweile aber in Deutschland leben. Geschichten, die ihn nicht mehr losließen – Er wollte helfen!
Große Hilfsbereitschaft der Hörgeräte-Branche
Nach einigen Recherchen nahm er Kontakt mit der „Tagesklinik Emanuel“ auf, einer christlich orientierten Einrichtung in Schweizer Trägerschaft. Sie kümmert sich in Moldawien um die medizinische Versorgung von Menschen in Not, die sich keinen Arztbesuch leisten können. Gleichzeitig kontaktierte er das Hörzentrum AcustMed, ebenfalls in Moldawien ansässig. Beiden schlug er ein gemeinsames soziales Projekt vor. Und auch seinen Arbeitgeber, auric, ein Hörcenter mit mehr als 80 Standorten in Deutschland holte er mit ins Boot. Gemeinsam mit einem Hörgeräte-Hersteller wurden 80 Hörgeräte gespendet, viele davon fabrikneu. Die gebrauchten Hörsysteme wurden komplett aufbereitet und erhielten ein Softwareupdate. Sein Arbeitgeber stellte den Hörakustiker zudem für seinen Hilfseinsatz frei.
Möglichst viele Menschen mit Hörgeräten versorgen
Peter Reinhard reiste – mit den Hörgeräten im Gepäck – nach Moldawien, um dort Menschen mit einer Hörminderung zu helfen. Die Tagesklinik Emanuel hatte im Vorfeld Personen ausgewählt, die für die Hörgeräteversorgung in Frage kamen. Dazu gehörten Bewohner eines Behindertenheimes, einer Altenwohnstätte sowie mittellose Menschen aus Chişinău und Umgebung. Und auch Andrei zählte zu dem auserwählten Kreis.
Die technische Infrastruktur stellt AcustMed vor Ort bereit. „Das Ziel war, dass möglichst viele Menschen wieder am Alltag teilnehmen können“, erzählt Peter Reinhard. So passte er die Hörsysteme an und programmierte sie, während seine Helfer den Patienten erklärten, wie sie die Geräte bedienen sowie pflegen müssen und welche Wartung notwendig ist.
Grenzenlose Dankbarkeit
Als Peter Reinhard Andrei das Hörsystem einsetzte, wurde dieser zunächst ganz ruhig und war dann sichtlich gerührt von seinem neugewonnenen Hörvermögen. „Ein gestandener Mann, der vor Glück weint – das war ein sehr bewegender Moment“, berichtet der Hörakustiker. „Die große Dankbarkeit der Menschen war für mich der größte Lohn für all die Mühen im Vorfeld.“ Beeindruckt von seinen Erlebnissen plant Peter Reinhard schon die nächste Hilfsaktion in Moldawien.
Hörgeräte für die Ukraine
Die Hörakustikerin Daniela Schafmeier aus Rahden und ihre Berufskolleginnen Nicole Kühling, Nazan Yakar und Paula Hunstein sowie die Erzieherin Kerstin Janssen und der Techniker Gunnar Janssen erlebten ähnliches wie Peter Reinhard. Sie engagieren sich für die Initiative „Hören ohne Grenzen“ und waren im März dieses Jahres in Luszk in der Ukraine, um Menschen mit einer Hörminderung zu helfen. Dort sind Hörsysteme für die Menschen meist unerschwinglich und gerade eine Hörversorgung für Kinder ist wahrer Luxus. In diesem Jahr waren sie zunächst im Kindergarten von Luszk und versorgten Kinder mit entsprechenden Hörhilfen. Die zweite Station war eine Schule für Hörgeschädtigte in Wolodemyr Wolynsky, die von 186 hochgradig schwerhörigen Kindern besucht wird. „Die Menschen sind so dankbar und geben so viel zurück. Das ist durch Geld nicht zu ersetzen“, erzählt Daniela Schafmeier.
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Hören ohne Grenzen mit langer Tradition
Die Hilfstouren in das osteuropäische Land haben bei „Hören ohne Grenzen“ mittlerweile bereits seit 20 Jahren Tradition. Dabei wurde schon vielen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen geholfen. Für viele Kinder ist die Hilfsorganisation der einzige Weg zu einer Welt mit Geräuschen und Sprache. Aber auch viele ältere Menschen erhalten nur durch diese Aktion die Möglichkeit, besser zu hören. „Es ist immer wieder bewegend, die Augen der Kinder zu sehen, wenn sie das erste Mal etwas hören, anfangen mit der Stimme zu spielen oder das erste Mal andere Stimmen hören“, erklärt Nicole Kühling. Und Nazan Yakar ergänzt: „Man kann schlecht beschreiben, wie viel Freude die Arbeit macht, wenn man erlebt, wie ein Kind zum ersten Mal im Leben hören kann.“
Großes ehrenamtliches Engagement
Seit 1999 fahren regelmäßig Freiwillige für eine Woche in die Ukraine und passen alte Hörgeräte an, reparieren sie – wenn notwendig – oder statten Menschen mit neuen Batterien für ihre Hörsysteme aus. Es werden aber auch Otoplastiken – das sind kleine Ohrstöpsel, mit denen Außengeräusche für das Hörgerät abgeschirmt werden – vor Ort angefertigt. Über die Zeit sind mittlerweile auch längst echte Freundschaften zwischen den Menschen vor Ort und den Helfern entstanden.
Der Einsatz steht unter der Schirmherrschaft von „Humanitäre Hilfe für den Osten“. Diese Organisation kümmert sich um einen Ansprechpartner vor Ort und übernimmt die Versicherung der Fahrzeuge. Alle anderen Kosten tragen die jeweiligen Hörakustiker und HNO-Ärzte selbst, die auch immer wieder für die Reisen gerne ihren Urlaub opfern. Für ihre Einsätze bitten die Hörakustiker um alte Hörgeräte „Ob funktionsfähig oder nicht, das ist egal“, sagt Daniela Schafmeier. Auch Geldspenden sind immer willkommen.
Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Webseite von Hören ohne Grenzen.
Wie sich die Lebensqualität von Menschen mit einer Hörminderung durch Hörsysteme verbessert, lesen Sie hier.