Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung
Wird ein Kind im Kindergarten oder in der Schule durch seine Aussprache oder sein Verhalten auffällig, muss es nicht immer unter einer Schwerhörigkeit leiden. Es ist durchaus möglich, dass es eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) hat.
Die Informationen im Überblick
- Was ist eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung?
- Woran erkennt man eine AVWS?
- Welche Folgen bringt eine AVWS in der Schule mit sich?
- Tipps für Kinder mit AVWS in der Schule
- Wie lässt sich eine AVWS behandeln?
Ist Ihr Kind oder das von Freunden oder Familienmitgliedern oft zerstreut oder unkonzentriert? Kann es sich sprachliche Anweisungen oder Aufgaben, aber auch Reime, nicht gut merken? Verwechselt es ähnlich klingende Laute – und das sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben? Dann kann die Ursache dieser Symptome eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) sein. Betroffene Kinder haben außerdem Schwierigkeiten zu lokalisieren, woher ein Geräusch kommt, sie werden schnell unruhig und lassen sich leicht ablenken. Zudem fällt es solchen Kindern häufig schwer, fehlerlos zu schreiben.
Wenn diese Symptome bei Kindern bemerkt werden, ist es wichtig, unbedingt Kontakt mit einem HNO-Arzt oder eine auf diese Probleme spezialisierte Klinik aufzunehmen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Im ersten Kontakt mit einem Facharzt oder einer Klinik ist immer abzuklären, ob die Probleme von jungen Patienten und Patientinnen beim Hören möglicherweise durch Ursachen Im Gehör bedingt sind und Hörgeräte Abhilfe schaffen könnten. Schließt der HNO-Arzt Ursachen im Gehör aus, sollten die Patienten und Patientinnen bei einem Pädaudiologen – einem auf Hörstörungen spezialisierten HNO-Facharzt – oder einer spezialisierten Klinik abklären, ob sie möglicherweise unter einer AVWS leiden.
Was ist eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung?
Bei einer AVWS haben Patienten und Patientinnen Probleme beim Hören, obwohl das Ohr nicht geschädigt ist. Das schlechte Hören hängt damit zusammen, dass das Gehörte nicht richtig weiterverarbeitet wird. “Stellen Sie sich eine Autobahn vor, die sich noch im Bau befindet, da kommen die Autos auch nicht voran. So geht es auch den Informationen, sie gelangen nicht bis ins Gehirn Ihres Sohnes, weil sich die Synapsen noch nicht gebildet haben“, so hat es mir damals die Logopädin erklärt, als bei meinem Sohn AVWS diagnostiziert wurde, erklärt eine betroffene Mutter.
Ein Überblick über die Forschung zur Häufigkeit von AVWS zeigt, dass diese Krankheit bei etwa zwei bis drei Prozent aller Kinder auftritt, wobei Jungen doppelt so häufig betroffen sind wie Mädchen. Auch unter Erwachsenen lässt sich diese Diagnose finden, so haben etwa zehn bis 20 Prozent aller älteren Erwachsenen AVWS.
Welche Folgen bringt eine AVWS in der Schule mit sich?
In der Schule treten aufgrund von AVWS schnell Ermüdung und Lern- sowie Konzentrationsschwierigkeiten auf, insbesondere dann, wenn es im Klassenzimmer laut ist. Bei vielen Kindern, die unter einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung leiden, lässt sich außerdem eine Lese-/Rechtschreibstörung finden. Denn wenn sie die Wörter nicht richtig verstehen, können sie sie auch nicht richtig schreiben.
Abhängig davon, welche Teilbereiche der Weiterverarbeitung besonders von der Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung beeinträchtigt sind, treten weitere Probleme auf. Leiden Kinder zum Beispiel unter einer Störung der Geräuschselektion, ist es ihnen nicht möglich, bestimmte Informationen aus einer Vielzahl an Geräuschen herauszufiltern.
Haben sie eine medizinische Diskriminationsstörung, dann können sie ähnliche Laute oder Silben nicht voneinander unterscheiden, wie beispielsweise „po“ und „bo“. „Unser Sohn hatte eine Kombination dieser Schwächen: Wenn er ein Diktat im Klassenzimmer geschrieben hat, waren zwanzig Fehler keine Seltenheit. Setzte sich die Deutschlehrerin mit ihm alleine an einen ruhigen Ort, machte er deutlich weniger Fehler“, schildert die Mutter eines AVWS-Grundschülers.
Ständig ein neuer Platz im Klassenzimmer ist kontraproduktiv
Das häufige Umsetzen von Kindern im Klassenzimmer – was gerade in der ersten Klasse gerne praktiziert wird, damit die Kinder alle untereinander Kontakt haben und sich besser kennenlernen – ist für Kinder mit einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung sehr schlecht und sollte vermieden werden. Denn diese Schüler brauchen etwa zwei Wochen, bis sie sich an die neuen Umgebungsgeräusche ihres Platzes gewöhnt haben. Und aufgrund der Schwierigkeiten bei der Geräuschselektion ist es für Kinder mit AVWS ohnehin sehr anstrengend, dem Unterricht überhaupt zu folgen.
Wie lässt sich eine AVWS behandeln?
Auch wenn für eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung keine medizinische Heilbarkeit besteht, lassen sich durch eine Behandlung Ersatzstrategien erlernen, die es Patienten und Patientinnen ermöglichen, sich Gehörtes besser zu merken. Insbesondere für junge Patienten und Patientinnen gibt es verschiedene Programme für eine Therapie, die in der Regel von Logopäden, aber auch von Ergotherapeuten durchgeführt werden. Die Übungen betreffen typischerweise die Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit des betroffenen Kindes. Viele der Übungen zu einer Therapie der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung werden am Computer ausgeführt, sie trainieren bestimmte Ton-Wahrnehmungen.
Darüber hinaus gibt es auch Möglichkeiten der Behandlung durch Audiotherapien, die die Kinder – möglichst täglich – machen sollten. Mit den Übungen erhalten sie die gleichen Entwicklungschancen wie gesunde Kinder und die Probleme in der Schule werden in der Regel kleiner. „Zum Glück kommt unser Sohn dank einer einjährigen Audiotherapie bei einer Logopädin und einigen Minuten üben täglich mittlerweile gut in der Schule klar“, so die betroffene Mutter.
Da sich also mithilfe der Therapie von AVWS wieder deutlich mehr Lebensqualität gewinnen lässt, ist es umso wichtiger, frühzeitig eine Klinik oder einen Facharzt aufzusuchen. Dort kann Ihnen gleich ein Überblick über mögliche Maßnahmen gegeben werden und die Probleme können stark vermindert werden.
Tipps für Kinder mit AVWS in der Schule
- Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Schwierigkeiten Ihres Kindes in Zusammenhang mit der AVWS.
- Informieren Sie die Lehrer, dass den Problemen Ihres Kindes medizinische Ursachen zugrunde liegen, erklären Sie die Krankheit AVWS und geben Sie allen von der Situation Betroffenen einen Überblick über mögliche Beeinträchtigungen.
- Bitten Sie darum, dass Ihr Kind einen festen Platz in der Klasse bekommt.
- Bestenfalls sitzt das Kind in der ersten Reihe direkt vor dem Lehrer und nicht neben irgendwelchen lauteren Kindern.
- Regen Sie engen Kontakt und Austausch zwischen den Logopäden oder Ergotherapeuten und den Lehrkräften an, um den aktuellen Stand und auch die Fortschritte zu besprechen bzw. worauf in den nächsten Wochen der Fokus gelegt werden soll.
- Ermutigen Sie Ihr Kind, Bescheid zu sagen, wenn die Hörverhältnisse in der Klasse schlecht sind.
- Schlagen Sie vor, dass der Lehrer / die Lehrerin ein Mikrofon benutzt und Ihr Kind spezielle Kopfhörer oder Hörgeräte trägt, damit Umgebungsgeräusche herausgefiltert und ein Verstehen leichter gemacht werden kann.
- Klären Sie mit dem Klassenlehrer, ob die Schule einen AVWS-Nachteilsausgleich möglich machen kann.
Auch wenn Ihr Kind unter einer Schwerhörigkeit leidet, ist es nicht immer ganz einfach in der Schule. Die 22-jährige Cindy beschreibt in unserem Artikel „Die Schulzeit mit Hörgerät“, wie es ihr mit der Nutzung ihrer Hörgeräte in der Schule ergangen ist.
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