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Sicher haben Sie während einer Konversation schon einmal den Satz „Ich bin ganz Ohr.“ verwendet. Im Grunde genommen bedeutet dies, dass man sich vollkommen auf das Gesagte des Gegenübers konzentriert. Wussten Sie allerdings, dass Sie mit mehr als einem Ohr zuhören können?
Die verschiedenen Ebenen der Kommunikation
Kommunikation ist im menschlichen Alltag von großer Bedeutung und öffnet oder verschließt uns viele Türen, denn die Art, wie wir uns verständigen, entscheidet maßgeblich über das Ergebnis des Gesprächs. Viele denken bei guter Kommunikationsfähigkeit an jemanden mit guter Ausdrucksweise und einer großen Portion Selbstbewusstsein. Dies stimmt zwar, allerdings wird hierbei die Fertigkeit des Zuhörens oft außer Acht gelassen.
Durch die zunehmende Digitalisierung und die damit einhergehende digitale Kommunikation, wird aktives Zuhören leider immer weiter hintenangestellt. Dabei ist richtiges und gezieltes Hinhören der Schlüssel zu gelungener Kommunikation! Um Missverständnissen und Konflikten aus dem Weg zu gehen, ist es also wichtig, sich beim Verstehen auf die verschiedenen Kommunikationsebenen zu begeben.
Diese Ebenen hat Psychologe Friedemann Schulz von Thun in seinem Kommunikationsmodell festgehalten: Er nimmt an, dass unsere Äußerungen immer vier Botschaften gleichzeitig enthalten. Daraus leitet er auch den Namen seines „Vier-Ohren-Modells“ ab.
Das blaue Ohr: Sachinformation
Auf der Sachebene des Gesprächs dreht sich alles um nüchterne Daten, Fakten und Sachverhalte. Hier sollte das Gesprochene wortwörtlich verstanden werden, ohne jegliche Interpretation. Im ersten Moment scheint das blaue Ohr für viele am unkompliziertesten zu sein, da hier nach keiner weiteren Erklärung gesucht werden muss und somit Missverständnisse und Bauchschmerzen vermieden werden können. Der Haken an der Sache ist jedoch, dass Menschen nur selten lediglich Sachinformationen vermitteln möchten.
Dies lässt sich an folgendem Beispiel gut verdeutlichen: „Das Konzept muss bis zum Ende der nächsten Woche fertig sein.“ Auf der Sachebene würde man alleinig den sachlichen Inhalt des Gesagten verstehen, also dass die Deadline am Ende der nächsten Woche liegt. Was ist jedoch, wenn das Gesprochene doch eine persönliche Note enthält?
Das grüne Ohr: Selbstoffenbarung
Jeder Mensch gibt mit dem Gesagten, ob gewollt oder ungewollt, immer auch ein wenig von sich selbst preis. Dies ist auch logisch, da wir eher dazu geneigt sind, Dinge zu thematisieren, die für uns wichtig sind oder einen gewissen Mehrwert haben. Zugleich werden Emotionen, Wünsche, Ängste oder Ansichten offenbart. Das grüne Ohr interpretiert eine Konversation also auf der Basis unseres Charakters und unserer Erfahrungen. Unser Beispielsatz würde also auf der Ebene der Selbstoffenbarung bei einem stressempfindlichen Menschen so ankommen: „Du arbeitest zu langsam und musst dich beeilen, sodass wir noch rechtzeitig fertig werden.“
Allerdings könnte es der Sprecher oder die Sprecherin auch nur gut gemeint haben und dem Gegenüber einen Hinweis geben wollen: „Das Konzept muss bis zum Ende der nächsten Woche fertig sein. Ich sage dir frühzeitig Bescheid, sodass du zu einem späteren Zeitpunkt nicht unter Zeitdruck gerätst.“ Wie sieht es jedoch aus, wenn Sie zu dem Sprecher oder der Sprecherin eigentlich ein schlechtes Verhältnis hegen?
Das gelbe Ohr: Beziehungshinweis
Eine zusätzliche Auskunft über die Intention einer Aussage, erhält man durch die Beziehungsebene. Diese dreht sich rund um das Verhältnis der GesprächspartnerInnen und deren Vorgeschichte. Dabei wird das Gesagte oft auf der Basis von Gestik, Mimik und Tonfall interpretiert. Wenn wir also ein Gespräch mit der besten Freundin oder dem besten Freund führen, sind wir eher dazu geneigt eine positive Intention zu erkennen, während der verhasste Arbeitskollege von Anfang an als negativ abgestempelt wird. In diesem Fall würde unser Beispielsatz so ankommen: “Du hast nur noch knapp eine Woche Zeit, bis das Konzept stehen muss. Mal sehen, wie du das schaffen wirst.“
Allerdings könnte dies von dem Arbeitskollegen tatsächlich nur als freundlicher Wink angedacht sein und die Aussage war wie folgt gemeint: „Ich bin gespannt auf dein Konzept, das du uns nächste Woche vorstellen wirst.“ Anders würde unser Beispielsatz ankommen, wenn hingegen am Ende ein „Bitte“ stehen würde.
Das rote Ohr: Appell
Bei dem Wort „Bitte“ schrillen für die meisten Menschen die Alarmglocken oder eben die „Appell-Glocken“, denn für viele leitet dies eine Aufforderung ein. Mit dem roten Ohr werden also Wünsche, Aufforderungen oder Ratschläge gehört.
Die Appelle können offen oder indirekt kommuniziert werden und werfen beim Hörer oder der Hörerin folgende Fragen auf: Wie soll ich jetzt handeln? Was soll ich dazu denken? Wie soll ich mich hierbei fühlen? Angewandt auf unseren Beispielsatz könnte der Hörer also Folgendes verstehen: „Zeit ist Geld, also mach dich an die Arbeit!“
Zuhören auf allen Ebenen als Erfolgsversprechen
Wie Sie feststellen konnten, ist der zwischenmenschliche Austausch eine deutlich komplexere Angelegenheit, als Sie vielleicht vorher vermutetet haben. Gute Zuhörer sind oftmals echte Sympathieträger und das zu Recht! Man fühlt sich bei ihnen gehört und respektiert.
Darüber hinaus versuchen sie aktiv zu verstehen, was genau man ausdrücken möchte, wodurch unnötige Konflikte längerfristig vermieden werden können. Tatsächlich hilft die Gabe des Zuhörens nicht nur enorm im Privatleben, sondern auch im Arbeitsleben. Doch wie schafft man es ein guter Zuhörer / eine gute Zuhörerin zu werden? Die Antwort auf diese Frage ist denkbar einfach: Einfühlungsvermögen.
Empathie ist der Schlüssel
Die meisten Missverständnisse oder Auseinandersetzungen entstehen, weil Sender und Empfänger sich auf unterschiedlichen Verständnisebenen befinden. Das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun wirft also Licht auf die Komplexität und Feinheit des Zuhörens.
Demzufolge sollten Sie diese Lektion auf alle Fälle mitnehmen: Beleuchten und untersuchen Sie die Aussagen Ihres Gesprächspartners oder Ihrer Gesprächspartnerin gründlich. Hier kommt nun die zuvor angemerkte Empathie ins Spiel, denn Sie müssen sich in die Lage des anderen hineinversetzen und verstehen, wieso die Nachricht so bei Ihnen ankommt. Wenn Ihr Gegenüber nach einem stressigen Arbeitstag von Grund auf gereizt klingt, liegt dies also weniger an Ihnen als an der Person.
Dasselbe lässt sich auch auf die eigenen Aussagen adaptieren! Bevor Sie das nächste Mal mit einem unüberlegten Gedankengang in den Raum platzen, sollten Sie sich fragen, ob dies nicht eventuell falsch verstanden werden könnte. In diesem Fall ist es hilfreich, Ihre Formulierungsweise bedacht und deutlich zu wählen, sodass Sie dem nächsten Konflikt gekonnt entkommen können.
Wenn Sie sich als höflicher und aufmerksamer Zuhörer einstufen, jedoch trotzdem oft auf Missverständnisse treffen, sollten Sie sich fragen, ob dies nicht mit einem verminderten Hörverständnis in Verbindung stehen könnte.
Da sich ein Hörverlust meist unbemerkt einschleicht, fällt dieser Betroffenen erst spät auf. Ein unbehandelter Hörverlust zieht viele gesundheitliche Risiken mit sich, weswegen Sie nicht vor einem Hörtest zögern sollten! Somit verschaffen Sie sich nicht nur Sicherheit, sondern vergewissern sich auch, dass Sie zukünftig immer noch auf allen Ebenen zuhören können!