Schwerhörigkeit kann erblich sein
Hörimplantate können stark Schwerhörigen helfen und ihre Lebensqualität entscheidend verbessern. Langes Zögern bei Symptomen schadet dagegen. Insbesondere, wenn die Schwerhörigkeit in der Familie liegt.
Als Christiane Olk das erste Mal zum Thema Hörimplantate recherchierte, war sie auf der Suche nach einer Behandlungsalternative für ihre hochgradig schwerhörige Mutter Waltraud Pelzer. Was Christiane zunächst nicht bedachte: Bei ihr liegt die Schwerhörigkeit in der Familie. Schon ihr Großvater litt unter Schwerhörigkeit – und auch seine beiden Töchter kämpften früh mit massiven Hörproblemen. Und auch bei Christiane zeigten sich erste Symptome.
Ist Schwerhörigkeit erblich?
Schwerhörigkeit oder die Anlage dazu kann vererbt sein. Denn viele Arten von Hörverlust sind erblich. Eine von Geburt an bestehende Mutation in den Genen kann sich auf die Entwicklung und Funktionsweise des Ohrs auswirken und Hörstörungen oder Taubheit verursachen. Man spricht dann von einem genetischen Hörverlust. Insbesondere bei Kindern ist das oft der Grund für Schwerhörigkeit.
Wenn Sie oder Ihr Partner schwerhörig sind, sollten Sie Ihr Kind unbedingt beim HNO-Arzt – über das normale Hörscreening für Neugeborene und Kleinkinder hinaus – auf die Funktionsweise seines Hörsinns untersuchen lassen.
Nicht hören macht einsam
Waltraud Pelzer, Christianes Mutter, wurde erst im Alter von 60 Jahren mit Hörgeräten versorgt. „Zu diesem Zeitpunkt war mein Hörverlust allerdings schon so weit fortgeschritten, dass mir die konventionellen Hörhilfen nicht mehr reichten“, so Waltraud. Der Alltag gestaltete sich für die lebensfrohe Seniorin zunehmend schwieriger – ob in ihrem Beruf als Fachverkäuferin in der Familienmetzgerei, den sie aufgrund des Hörverlustes aufgeben musste, oder in Alltagssituationen, wie beim Arzt und bei Besuchen des Gottesdienstes. „Gespräche waren sehr schwierig und oft voller Missverständnisse, was mir immer sehr peinlich war. Eigentlich war ich bis zu diesem Zeitpunkt immer unter Menschen, aber ich stellte fest, dass ich mich mehr und mehr zurückzog“, beschreibt Waltraud die massiven Auswirkungen ihrer Schwerhörigkeit. Sie benötigte Unterstützung.
Entscheidung für ein Cochlea-Implantat (CI)
Welche Hörversorgung ist die Richtige? Eine wichtige Entscheidung, die die Betroffenen gemeinsam mit einem HNO-Arzt und Hörimplantat-Experten treffen. „Ein Cochlea-Implantat ermöglicht Menschen trotz einer hochgradigen Hörstörung oder Ertaubung auf dem Ohr wieder zu hören und Sprache zu verstehen. Das ist wunderbar“, erklärt der CI-Experte Dr. Jérôme Servais, HNO-Chefarzt und Leiter der Ohrenklinik am Heilig-Geist Hospital Bensheim. Bei Waltraud ergab ein Besuch an der Universitätsmedizin Mainz, dass sie eine geeignete Kandidatin für ein CI ist. Die Großmutter von drei Enkelkindern ließ sich zunächst auf der rechten Seite implantieren, drei Jahre später dann auf dem linken Ohr – mit großem Erfolg.
Mit Hörtraining zum Hörerfolg mit CIs
Einige Wochen nach der Implantations-OP kommt der große Moment: die erste Aktivierung des CIs, das erste Hören ausschließlich über die Technik im Innenohr. Gerade in den ersten Tagen tut sich unglaublich viel: „Bereits am ersten Tag nach der Aktivierung meines Audioprozessors hörte ich im Park die Vögel zwitschern. Ich war überwältigt. Ein Sprachverstehen hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch dies verbesserte sich durch die Reha und dann noch einmal mehr nach der Versorgung meines zweiten Ohres“, erzählt Waltraud.
Idealerweise erfolgt die Aktivierung in einer Reha mit einem entsprechenden Hörtraining. Schon innerhalb einer Woche Reha baut sich ein Basishörvermögen auf. Am besten folgt nach einem Reha-Aufenthalt eine längere Zeit mit intensivem Hörtraining, um das Gehirn und somit das Gehör zu trainieren.
„Durch meine CIs kann ich wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, besuche Gottesdienste und Konzerte und kann Sprache und Musik gut verstehen“, sagt Waltraud über die Verbesserungen, die sich dank ihrer Hörimplantate eingestellt haben. „Alltägliches wie telefonieren, selbstständig Arztgespräche führen, ohne Hilfe mit Bus und Bahn fahren – das alles ist mir heute wieder möglich und hat mir neues Selbstvertrauen geschenkt.“
CIs auch für die Tochter
Trotz der schließlich erfolgreichen Hör-Geschichte ihrer Mutter schob Tochter Christiane ihre eigene Schwerhörigkeit lange zur Seite: „Einerseits fiel mir natürlich auf, dass etwas nicht stimmte. Rückblickend traten meine ersten Hörprobleme schon im Studium auf. Später ermüdete ich schnell bei Unterhaltungen und musste auch öfters nachfragen als andere. Doch mit dem Thema beschäftigen wollte ich mich nicht“, gesteht die dreifache Mutter. Stattdessen vermied sie manche Situationen ganz bewusst und bewarb sich auf Jobs mit möglichst wenig Publikumsverkehr. Schließlich verschlimmerte sich Christianes Hörverlust massiv und sie suchte schließlich doch eine HNO-Ärztin für einen Hörtest auf. Das Ergebnis: Christiane war tatsächlich schon stark schwerhörig.
Mit 42 Jahren bekam Christiane endlich Hörgeräte. Trotzdem wurde es beruflich zunehmend anstrengender für die Fachjuristin. Vor allem Telefonate waren extrem herausfordernd. Jedes Zuhören sowie die ständige Angst vor Missverständnissen mit großer Tragweite belasteten Christiane enorm. Und auch in ihrem Alltag als Mutter gab es immer wieder schwierige Situationen: „So konnte ich zum Beispiel nicht immer hören, wenn unsere jüngste Tochter als Baby in ihrem Bettchen geweint hat. Ich fühlte mich oft als Mutter unzureichend.“
Für wen sind Cochlea-Implantate geeignet?
Ein Cochlea-Implantat hilft Personen mit Schwerhörigkeit, bei denen Hörgeräte nicht mehr ausreichen. Es wird insbesondere in folgenden Fällen empfohlen:
- Erwachsene mit schwerer beidseitiger Taubheit
- Erwachsene mit schlechter Sprachwahrnehmung
- Patienten mit einer zunehmenden Schwerhörigkeit (Hypakusis), die sich bereits stabilisiert hat
- Kinder mit genetisch bedingter, erblicher oder erworbener hochgradiger Schwerhörigkeit
Mit 50 Jahren war Christianes Schwerhörigkeit so gravierend, dass sie sich am Deutschen Hörzentrum in Hannover einer Implantation unterzog. Erst erfolgte die Versorgung des rechten Ohrs, drei Jahre später die des linken. Vieles, was vorher unmöglich war, ist für Christina heute wieder ganz selbstverständlich: alleine zu Elternsprechtagen oder in ein Café gehen, Radio und Podcasts hören, Vorträge, Kino- und Konzertbesuche genießen, telefonieren, Video-Calls oder in gut gefüllten und lärmenden Restaurants ein Gespräch führen. „Heute arbeite ich in Vollzeit als Diplom-Rechtspflegerin am Amtsgericht. Ich fühle mich nun auch wieder erheblich wohler unter Menschen.“ Außerdem engagiert sich Christiane ehrenamtlich als Hörpatin und begleitet Menschen auf ihrem Weg zum Hörimplantat.
Auch für ihre Kinder ist die erfolgreiche Behandlung ihres Hörverlustes eine Befreiung. Sie wissen, dass ihnen im Fall einer vererbten Schwerhörigkeit gute Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen – sogar dann, wenn Hörgeräte nicht mehr ausreichen. Über das Thema Schwerhörigkeit spricht die Familie mittlerweile. Denn erst mit ihrer eigenen CI-Versorgung konnte Christiane eine mögliche erbliche Schwerhörigkeit thematisieren.
Mit der richtigen Versorgung muss Hörminderung kein Hindernis sein: Trotz schlechtem Gehör ist auch Jana Verheyen beruflich richtig durchgestartet. Dank ihrer CIs ist sie als Audio-Coach erfolgreich und hilft heute anderen Betroffenen auf ihrem Weg zum Wiederhören mit Cochlea-Implantaten.
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