Akustisches Sehen – Hören wie Daredevil
Menschen können alleine mit Ihrem Gehör Hindernisse und Gebäude erkennen und sogar Entfernungen richtig abschätzen. So wichtig ist unser Gehör für unsere Orientierung.
Auf einen Blick
- Unser Gehör ist wichtig für unsere Orientierung
- Blinde können allein durch Ihr Gehör akustisch sehen
- Entfernungen schätzen wir genauer mit den Ohren ab und nicht mit den Augen
In der Netflix-Marvel-Serie Daredevil kämpft der blinde Anwalt Matt Murdock als Daredevil gegen das Böse. Durch einen Unfall verliert er sein Augenlicht, bekommt aber übermenschliche Sinne und kann sich so allein durch sein Gehör wortwörtlich wie ein Ninja bewegen. Doch auch wenn es beeindruckend ist, wie er sich Hindernisse und Gegner einfach erhört, ist dieses akustische Sehen gar nicht übermenschlich. Denn diese Fähigkeit ist keine Comic-Erfindung, sondern tatsächlich real und sogar für jeden erlernbar. Man kann in diesem Zusammenhang auch vom Sehen mit den Ohren oder vom akustischen Sehen sprechen. Auch untrainiert nutzen wir unsere Ohren zur Orientierung, allerdings geschieht dies unbewusst. Aus diesem Grund unterschätzen viele, wie ausschlaggebend unser Gehör für unsere Verkehrssicherheit ist. Doch wir benötigen unser Gehör für die Ortung von Geräuschen, sowohl wenn wir zu Fuß unterwegs sind, als mit dem Auto. Unsere Augen brauchen für die räumliche Wahrnehmung die Unterstützung durch unser Richtungshören. Ansonsten fällt es uns schwer Entfernungen richtig abzuschätzen. Beispielsweise im Straßenverkehr, wenn wir erkennen wollen, wie nah der Ton eines Martinshorns ist.
Wie funktioniert die Superkraft unserer Ohren?
Doch wie können unsere Ohren akustisches Sehen ermöglichen? Unser Gehirn kann sich aufgrund von Nachhall, der unterschiedlichen Absorption von Schall, ein erstaunlich detailliertes Bild der Umgebung machen. Diese Fähigkeit nennt sich Fledermauseffekt, da sich diese Technik tatsächlich kaum vom Echolot der Fledermäuse unterscheidet. Auch Delfine nutzen diese Art der Orientierung. An dieser Stelle müssen wir beim akustischen Sehen aber zwischen passiver und aktiver Echoortung unterscheiden. Die passive Echoortung nutzt den Umgebungsschall und das Echo um ein unscharfes Bild der Umgebung zu erzeugen. Dies geschieht in dem Teil unseres Gehirns, der für die visuelle Verarbeitung zuständig ist. Auf diese Weise unterstützt unser Gehör beispielsweise auch die Entfernungseinschätzung unserer Wahrnehmung. Dies passiert unterbewusst im Zusammenspiel unserer Sinne. Was zeigt, wie wichtig es für unseren Alltag ist, dass Sie Ihr Gehör regelmäßig untersuchen lassen. Denn desto früher eine Hörminderung erkannt wird, desto effektiver ist die Behandlung.
Beim akustischen Sehen durch aktive Echoortung wird durch Schnipsen oder durch Klick-Geräusche mit der Zunge Schall erzeugt. Durch das zurückgeworfene Echo kann unser Gehirn ein noch detaillierteres Bild erzeugen. Allerdings bedarf es hierfür einiges an Training. Aber es lohnt sich, denn tatsächlich ist so ein mit dem Sehen vergleichbares Abbild der Umgebung möglich. Dabei trennt unser Gehör die Signale, die für das akustische Sehen gebraucht werden von denen, die wir für sonstige akustische Informationen benötigen. Natürlich ist diese Fähigkeit bei Fledermäusen um ein Vielfaches ausgeprägter als bei Menschen. Für Blinde ist dies jedoch eine gute Möglichkeit, sich zurecht zu finden. Sie erlernen in speziellen Kursen die Geräusche richtig zu interpretieren und besonders effektive Klickgeräusch zu erzeugen. Mit etwas Übung kann man ziemlich genau erhören, wie breit und hoch ein Hindernis ist und welche Beschaffenheit es hat. Testen können Sie diese Fähigkeit, in dem Sie die Augen schließen, sich durch den Raum bewegen und dabei mit den Fingern schnipsen und auf die Veränderung des Geräusches achten.
Wer ist der Fledermaus-Mann?
Der US-Amerikaner Daniel Kish hat die Klicksonar-Technik perfektioniert. Er ist blind, was ihn nicht davon abhält mit dem Mountainbike zu fahren, wandern zu gehen oder Ballsportarten auszuüben. Selbst durch den dichtesten Verkehr bewegt er sich sicher und unfallfrei und dies nur mit Hilfe seiner Ohren. Er erkennt auch den kleinsten Unterschied in den von Hindernissen zurückgeworfenen Schallwellen, die er mit seiner Zunge erzeugt. So kann er sogar Unterschiede in den Materialien erkennen und Höhe und Länge erahnen. Dies liegt aber nicht daran, dass er blind ist, sehende Menschen achten nur nicht so detailliert auf das, was sie hören. Normalerweise verlassen wir uns nämlich sehr stark auf unsere Augen. Jedoch ist unter anderem die Entfernungseinschätzung durch unser Gehör um ein Vielfaches genauer als die durch unsere Augen. Die Technik des akustischen Sehens bringt Kish auch anderen Blinden bei und ermöglicht es ihnen damit, sich über ihr Gehör in der Welt zurecht zu finden.
Lässt das räumliches Hören nach?
Die Fähigkeit des räumlichen Hörens lässt im zunehmenden Alter nach und damit auch die Orientierung im Straßenverkehr. So lassen sich Entfernungen beispielsweise schlechter einschätzen. Doch oft bemerken wir das gar nicht, da die Minderung der Hörfähigkeit oft schleichend voranschreitet. Hier kann man mit einer frühen Erkennung und Versorgung gegensteuern. Deshalb ist der regelmäßige Gang zum Hörtest die beste Möglichkeit auch unser akustisches Sehen voll zu erhalten.
Mit diesen Online-Hörtests können Sie Ihre Hörfähigkeit direkt überprüfen. Bei einem Verdacht auf Hörminderungen sollten Sie bald einen HNO-Arzt oder Hörakustiker aufsuchen.